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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gegen eine Wand aus gestampfter Erde und lassen eine Kalebasse herumgehen. Einer von ihnen ist Johnson. Die übrigen sind Mandingos aus Dscharra, mit Plattfüßen, spitzen Knien und Nasen, die wie nach oben ins Gesicht gequetscht wirken. Alle tragen pilzförmigeweiße Barette auf dem Scheitel und buntgescheckte Schärpen, die sich von der Schulter zwischen den Beinen hindurch und wieder zurück schlingen. Ihre Fußsohlen haben die Farbe von geräuchertem Lachs. Der Gentleman, der dem Entdeckungsreisenden am nächsten sitzt, ein zahnloses Relikt mit konkavem Brustkorb, bietet ihm die Kalebasse an. Dankbar nimmt Mungo sie ihm ab. Beim ersten Schluck geht das Feuer aus – macht aber gar nichts, einstweilen ist er viel zu beschäftigt, um in jede Ecke zu lugen. Er schlürft und schlabbert, schwemmt sich den Sand aus Mund und Zähnen. Er spült es hinunter, gurgelt damit, trinkt in tiefen Zügen, die Dunkelheit behaglich um sich, sein Durst grenzenlos, alle Gedanken, Empfindungen, Reflexe in Schach gehalten von dieser ganz einseitigen Ekstase, diesem Gießen von Flüssigem in die Mundhöhle und den Oesophagus hinab. Doch dann tippt ihn eine wettergegerbte Hand an, und er muß die Kalebasse leider weiterreichen. «Verdammt guter Stoff, Johnson», murmelt er in die Finsternis hinein, die Silben vom Schluckauf zerstückelt. «Erinnert mich an gutes irisches Dunkles.»
    Aus der Ecke kommt Johnsons Stimme, etwas verschwommen: «So ssiemich das Beste, was die Kartoffelsammler hier je vorgebracht ham. ’s Allerbeste. Das is
sulu -
Bier, wasse da trinken, Mr.   Park,
sulu
-Bier. Schwarz geröstetes Malz der Mohrenhirse und reinstes Quellwasser, vergoren und gewürzt genau nach ’nem uralten, wohlgehüteten Stammesrezept. Hey, Mann – das is die Wiege der Ssivilisation hier, Mr.   Park. Was glaubense denn, wer zuerst auf diesem Planeten war – wir oder diese ausgebleichten Kelten? Das is ein Spitzenbier, Bruder!»
    Johnsons Erklärung hat einen fremdartigen Beiklang. Die Worte kommen schwerfällig und wie zerkaut heraus, sein Ton ist streitlustig. Und seine Stimme ist tiefer denn je – sie klingt wie etwas, das man in einer Sommernacht am Teichufer erwarten würde. Könnte es sein, daß er ein paarSchluck zuviel aus der Kalebasse genommen hat? «Bist du betrunken, Johnson?»
    «Betrunken?» wiederholt er, wobei sein Baß am Boden des Kehldeckels kratzt. «Na sicher, Mann. Voll wie’n Emir.»
    In diesem Augenblick rüttelt eine besonders niederträchtige Bö an der Lehm-Rohr-Decke über ihnen, und eine Sandwolke fetzt ihnen ins Gesicht wie Schrotkugeln.
    «Blast los, ihr Winde, daß euch die Backen platzen!» krächzt Johnson. «Wütet! Tobt!»
    Eben noch formte sich ein Gedanke im Kopf des Entdeckungsreisenden – er hatte damit zu tun, daß er zum erstenmal seit beinahe sechs Monaten ohne Bewachung ist. Aber der plötzliche Windstoß und Johnsons Ausruf haben ihn glatt wieder verdrängt. Außerdem reicht ihm gerade jemand die Kalebasse.

EIN GUTER MANN IST NICHT UNTERZUKRIEGEN
    Als sie ihn fanden, dachten sie, er sei schon tagelang tot. Hände und Kinn waren an einer Eisscholle festgefroren, die Augäpfel waren ganz trübe. Er dümpelte auf und nieder wie ein Stück Treibholz, und das schwarze Wasser der Themse schwappte ihm über Schulter und Ohren.
    «Was is’n das da, Liam?»
    «Keinen blassen Dunst, Shem. Aussehn tut’s wie’n Toter, und ersoffen dazu.»
    Shem Leggotty und Liam McClure waren Fischer. Sechs Tage in der Woche legten sie ihre Stellnetze aus, um Lachse und Störe zu fangen, die mit der Flut flußaufwärts kamen. Die Fische schwammen in die Netze, verfingen sich mit den Kiemen in den acht Zentimeter breiten Maschen, schlugen ein bißchen um sich und erstickten dann.Manchmal schlugen sie auch um sich und entkamen wieder. Beides war Schicksal. Als die Männer an diesem Abend das Netz einholten, fühlte es sich irgendwie anders an, merkwürdig. Es war nicht das Gewicht – ein guter Stör konnte auch seine drei Meter und vierhundertfünfzig Pfund haben   –, es war einfach ein anderes Gefühl. Ein bitterkalter Wind fuhr ihnen in die Kehle. Ihre Hände waren rauh. War es eine Eisscholle? Ein Baumstamm? Shem zündete die Laterne an, um es sich näher anzusehen, und da lag er, trieb halb im Wasser wie einer, der drei Tage tot ist.
    «Also ’n Ersoffner isses. Und erfroren isser auch.»
    «Scheint so.»
    «Na los, tun wir das arme Schwein rausschneiden und lassen’s gut sein. Geht uns ja weiter nix

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