Wassermusik
– passen gut in die Kaffern-Kategorie, obwohl fast alle inoffiziell die Lehrsätze des Islam angenommen haben. Die Mauren blicken hinab auf die Gebetsteppiche, Sandalen und
jubbahs
, dann mustern sie die flachen schwarzen Gesichter. Ihnen kann man nichts vormachen. Für sie sind die Dscharraner eine inferiore Unterart, im Grunde kaum menschlich, eine Rasse, die Allah dazu geschaffen hat, dem Auserwählten Volk, mithin ihnen selbst, die Ziegen zu melken und die Butter aufs Brot zu schmieren. Daher gelten Vieh, Kinder, Weiber, Korn, Schmuck, Hütten der Kaffern, ja sogar die Kleider, die sie tragen, als rechtmäßiges Eigentum der Mauren. Wenn Alis Jungs in die Stadt einreiten, kann man sicher sein, daß sie nicht bloß die Sehenswürdigkeiten bewundern wollen.
An diesem Tag jedoch stehen Raub und Plünderei nicht obenan auf Alis Terminplan. Er hat seit langem ein System der Erpressung mit Dscharra und anderen Kaffernsiedlungen in seinem Machtbereich vereinbart. Er verkauft ihnen Schutz und fordert dafür so und so viel Feldfrüchte und eine bestimmte Anzahl von Tuchballen als Gegenleistung. Wenn er bekommt, was er verlangt, läßt er sie in Ruhe. Wenn nicht, hackt er die halbe Einwohnerschaft in Stücke und nimmt sich das Doppelte. Der Grund seines Besuches ist diesmal nicht, die Dscharraner vor ihm selbst zu beschützen, sondern vor den Kaartanern. Ein elementares Beispiel von Machtpolitik. Yambo II., der Häuptling von Dscharra, hatte sich in dem derzeitigen Konflikt zwischen Tiggitty Sego von Kaarta und Mansong von Bambarra ursprünglich auf die Seite Bambarras geschlagen. Zunächst schien dies ein schlauer Schachzug: Mansong machte seine Feinde der Reihe nach zu Hackfleisch, erschlug sie und erstachsie zur Rechten wie zur Linken. Doch seither hatte sich das Schlachtglück mehrfach gewendet – die Bambarraner waren zurückgeworfen worden, und Tiggitty Sego, voller Muttermordgier und Wut über den Treuebruch von Dscharra, marschierte jetzt auf die Stadt, um sie zu strafen. Deshalb hatte Yambo, zum Preis von dreihundert Stück Vieh und neunzehn Jungfrauen unter zwölf Jahren, Ali angeheuert, damit der ihm aus der Patsche half.
Der Staub hat sich längst gelegt, da hält der Entdeckungsreisende seinen großen Einzug in die Stadt. Zu Fuß. Er hinkt ein wenig und führt sein Pferd am Zügel. Während des Ritts ist dem Tier die ganze Zeit der Geifer aus dem Maul geronnen, es hat aus dem Anus geblutet und sich erbrochen, ist zweimal vornüber in den Dreck gestürzt und lahmt jetzt auf dreien seiner vier Beine. Infolgedessen war der Entdeckungsreisende für die letzten zwanzig Meilen auf die eigenen Treter angewiesen. Als er in den Ort gehumpelt kommt, ist ganz Dscharra auf der Straße und mustert ihn prüfend. Ein farbenfrohes Völkchen: Gesichter wie Lakritze, große reifenförmige Ohrgehänge, Perlenschnüre und Kaurimuscheln blitzen in den Haaren, Röcke und Schärpen pulsieren in Rot, Gelb und Orange wie tausend flatternde Fahnen. Farbenfroh, aber schweigsam. Keine Regung ist in der Menge zu sehen, kein Geflüster, kein Grinsen. In der Meditationskammer eines Kartäuserklosters herrschte wohl mehr Lärm als hier. Der Entdeckungsreisende vermutet, die Leute seien eingeschüchtert von ihm, und strengt sich an, möglichst harmlos und bescheiden auszusehen. An seiner Seite schaukelt Johnson auf dem Wildesel daher, dick und gemütlich wie ein Potentat. Von Zeit zu Zeit hebt er die fette Hand, um eine der Sirenen in der Menge zu grüßen oder eine Fliege zu erschlagen. Die Nachhut bildet Dassoud, hoch zu Roß wie ein Denkmal im Stadtpark. Damit er alles im Auge behält.
Die Bedürfnisse des Entdeckungsreisenden sind vorerst ziemlich elementar: ein Schluck Wasser, ein Teller Brei, eine Matte, auf die er die müden Knochen betten kann. Unter gewöhnlichen Umständen hätte man ihm all dies und noch mehr zur Verfügung gestellt. Denn die Mandingos von Dscharra sind ein zuvorkommendes, gastfreundliches Volk – Alis donnernde Herde haben sie schon getränkt und gestriegelt, dazu acht Ochsen für sein Abendbrot geschlachtet. Doch gerade als Mungo die Siedlung betritt, kommt ein ordentlicher Wind auf. Ein ganz gewaltiger Wind sogar. Die Rockschöße wehen ihm um den Kopf, sein Hut hebt senkrecht ab wie ein Falke im Aufwind, und seine Ohren fangen auf einmal an zu sausen, als hätte ihm jemand Muscheln davorgeklemmt. Hinter ihm wiehert und furzt sein Pferd, dem ebenfalls die Mähne um die Ohren fliegt. Mit einem
Weitere Kostenlose Bücher