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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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schon, ob sie die Leine slippen sollten, aber von der Brücke des Schiffes kam keine Aufforderung. Und dann schlug die Schraube des Schiffes an, schnell und unvermutet, schlug an auf voraus, um das Schwojen des Schiffes aufzufangen. Und während sie gewaltig, mit ihren Spitzen in der Luft, unter dem Heck wirbelte, wurde der achtere Schlepper über die kurze Leine zur Seite gerissen, das Ruder konnte die Bewegung nicht mehr auffangen: er kippte über die Steuerbordseite weg, das Ruderhaus klatschte ins Wasser, der Mast, er kenterte in einem Augenblick und trieb kieloben. Der Rudergast, der Mann am Sliphaken und der Heizer wurden gerettet.
     
    Der Hafen ist voller Geheimnisse ... Du kannst ihn auch anders erfahren, du kannst hingehen und lesen, was in den schwellenden, irrtumslosen Statistiken steht ... wieviel Dampfer hereinkamen und wieviel den Hafen verließen, was sie löschten und luden und was ein Stück Kaimauer kostet, ein Liegeplatz oder sogar der künstliche Zahn eines Fruchtdampferkapitäns ... Und du kannst hören, mit wieviel Häfen der Welt gerade dein Hafen verbunden ist, wieviel Tonnen er umschlägt im Jahr und welche Bücher die Lords in der Freiwache lesen – wenn sie lesen. Das macht die Statistik sauber und penibel und alles fein und übersichtlich, und es kommt immer eine Summe raus unterm Strich ... Natürlich gehört auch die Zahl zum Hafen, sie verkürzt die Liegezeit des Schiffes, sie bewirkt viel ... aber die Zahl ist nicht der sublimste Reich tum des Hafens ... Horch ... wie im Hafen die Zeit vergeht ... Geh nach vorn, bis zur Helling, und schau hinüber zum Taucherprahm ... Er ist verankert im Strom, und sie machen zwei Taucher fertig zum Runtergehn. Sieh ihnen zu, ihnen und dieser Geschichte:
     
    Es war ein Frühlingstag, als sie den Taucherprahm über dem gesunkenen Munitionsschiff verankerten: die Luft war mild und das Wasser des Stromes klarer als sonst. Der kleine Munitionsdampfer lag noch vom Krieg her da, er hatte sich selbst geflutet, er hatte sich mit all seinen Bomben und 15-cm-Granaten selber auf Grund gesetzt, um während des Angriffs nicht die anderen Schiffe zu gefährden. Und er saß senkrecht auf Grund, man konnte seine Umrisse durch die Klarscheibe erkennen.
    An einem Frühlingstag wollten sie mit der Bergung beginnen, der Prahm ging hinaus, und neben dem Prahm lag die breite, vieltragende Schute. Sie hatten alles vorbereitet zur Bergung der Munition, das Stahlnetz und der Flaschenzug hingen schon am Ladebaum, und jetzt machten sie die beiden Taucher fertig zum Runtergehn. Die Pumpenmänner und der Signalmann stülpten den Tauchern die Helme auf, herrliche Helme aus getriebenem Kupfer, sie leuchteten in der Sonne. Dann schraubten sie das Kopfstück mit dem Schulterstück zusammen, setzten die Fenster ein und schraubten auch sie zu, und die Männer unter den Taucherhelmen waren jetzt allein und stimmlos und getrennt von der Welt über dem Wasser. Ihre Gesichter sahen ernst und gespannt aus hinter den vergittertenScheiben des Helms, und sie zeigten keine Bewegung und spiegelten kein Gefühl, als der Signalmann mit den Zusatzgewichten kam und sie auf ihrer Brust befestigte.
    Sie hatten alles besprochen, die fünf Signale mit der Leine und die Tragkraft des Netzes, sie wußten, was sie zu tun hatten unten im Munitionsdampfer. Und dann gingen sie schwer und schleppend zur Einsteigleiter, und die oben blieben, gaben ihnen den leichten, guten Schlag auf den Helm, und der erste Taucher wälzte sich in den Strom. Er drückte mit dem Kopf auf das Überdruckventil und sank, langsam und sanft treibend, und als er hinaufsah, entdeckte er gegen das Licht die Silhouette des anderen, der ihm nachkam. Sie sanken tiefer hinab und landeten auf dem Deck des kleinen, schäbigen Munitionsdampfers: sie landeten dicht beieinander und versuchten, sich anzusehen hier in der trüben Tiefe, und der Junge tastete nach der Hand des Tauchmeisters und folgte ihm. Der Junge tauchte zum ersten Mal nach Munition, man hatte ihm den Querschnitt des Dampfers gezeigt, sein genaues Modell mit den Kammern für die 15-cm-Granaten, und er hatte das Modell studiert wie einen Gegner. Und vor längerer Zeit war der Meister noch einmal allein unten gewesen und hatte den Dampfer sorgfältig abgesucht, und der Meister hatte einen unerhört zuverlässigen und abschätzenden Blick für ein Wrack.
    Jetzt war der kleine Munitionsdampfer dran, er war fällig geworden. Sie rutschten über das Deck, zögernd und wachsam, als

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