Wasserwelten
die Fahrrinne und Zufahrten frei ... Wir hatten wenig Zeit, und darum schleppten wir die Wrackteile auf das »Wasserrollfeld« der Finkenwerder Flugzeugwerft ... hier versenkten wir sie wieder ...
Es war eine langsame und mühselige Arbeit, es gibt wohl keine Arbeit auf der Welt, die so langsam vorangeht, die so wenig Ergebnisse zeigt, wie das Heben eines Wracks ... Du arbeitest hundert Stunden, und es ist immer noch nichts zu sehen ... Ein Maurer hat längst ausgeschachtet und das Fundament eines Hauses gelegt, aber du steigst hinab und arbeitest, und es ist nichts zu sehen ... Du mußt gleichgültig sein und hartnäckig bei so einem Wrack, du mußt alle Geduld ablegen und wiederkommen ... Und ich dachte an den Fährdampfer, der uns so oft wiederkommen ließ, er war zäh und eigensinnigund ließ sich nicht heben, so daß wir ihn schließlich sprengen mußten ...
Die Fahrrinne ist nun sauber und frei, und von draußen kommen Schiffe herein, groß und erleuchtet ... Im Jahre 51 waren schon wieder 1 3 000 Schiffe hier, und sie gingen in See und verbanden diese Stadt mit 750 Häfen der Welt ... Sie kamen die Elbe herauf, und manchmal schlug wohl ihre Kompaßnadel irr aus – wenn sie über den Boden eines gesunkenen Schiffes fuhren, das wir gesprengt hatten ... Und ich dachte an die Schiffsteile, die wir nicht bergen konnten ... An die U-Boote, die unter den eingestürzten Bunkern liegen; sie waren alle noch fahrbereit am Ende des Krieges, aber ihre Besatzungen versenkten sie, und die Alliierten sprengten die gewaltigen Bunker, unter denen die Boote lagen, und heute werden Wracks von schweren Betonbrocken zugedeckt ... Niemand kann an die 1 6 Wracks unter den großen U-Boot- Bunkern heran, sie haben gigantische Grabkammern gefunden, unzugänglich wie die Gräber der Pharaonen, sie liegen da unter den viereinhalb Meter dicken Betonklötzen, verborgen, in den Grund gedrückt von der tödlichen Last, moderne Steinzeitgräber, düstere Kerkerbetten, die vom tobsüchtigen Walten der Geschichte zeugen ...
Die Nacht des Tauchers, 1954
Zwei Unterseeboote lagen unter der Rampe, eins war völlig unter Wasser, schräg, mit eingebeultem Turm, als habe eine Riesenfaust es gegen die Rampe geschleudert und hinabgedrückt; das andere, ein kleineres Boot, lag mit seinem ganzen Körper auf dem gesunkenen, waagerecht fast, so daß die Türme sich berührten. Die Boote waren außen kaum beschädigt, die Torpedoklappen geöffnet. Sie sahen von der Rampe wie die toten Augen eines ungeheuren Tieres aus. Auf einem der Türme setzte sich matt und schwach gegen das Grau das Symbol der Flottille ab: ein pausbäckiger, jovialer Neptun mit Dreizack, sein Dreizack war erhoben, schleuderbereit, gerichtet gegen jedermann, der auf der Rampe stand: ein jovialer Todbringer, der pausbäckige Souverän der Tiefe. Auf der Rampe war Ausrüstungsgut gestapelt, Öltonnen, Kisten, eiserne Behälter; Trossen lagen herum, einige hingen schlaff ins Wasser hinab, wo überall zwischen den Booten Bretterzeug, Kanister und Büchsen schwammen. Eine hohe, holzverkleidete Lauframpe auf der gegenüberliegenden Seite war aus den Fundamenten gerissen, sie hatte sich zur Wasserseite hin übergelegt und drohte völlig umzustürzen. Und über all der Wirrnis und Verwüstung lag ein Geruch von Öl und faulendem Holz.
Der Mann im Strom , 1957
Hier lag das gesunkene Munitionsschiff ... Es muß hier gelegen haben, dicht neben der Fahrrinne ... Wir haben es ziemlich spät gehoben, in einem Februar, das Wasser war kalt und schnellströmend und bildete Strudel über dem gesunkenen Schiff, dessen Spieren knapp über die Oberfläche hinausragten ... Ich ließ mich neben dem Munitionsdampfer hinab und untersuchte die Bordwand, es war kein Leck zu finden, und ich betrat sein Deck und sah mich um. Ich sah auch nach oben und erkannte den trüben Himmel und den dunklen Umriß unseres Prahms, ich fühlte mich müde und wartete einen Augenblick, bevor ich ins Innere des Dampfers eindrang. Ich fand einen engen Niedergang und schaltete die Handlampe ein und stieg hinab. Das Wasser schien noch kälter zu werden. Ich stieg hinab, bis ich vor einem verschlossenen Schott stand. Die Vorreiber waren umgelegt, ich öffnete sie mit großer Anstrengung und zog das Schott auf. Der Schein meiner Lampe irrte ins Dunkel und blieb plötzlich stehen: – Er lag dicht hinterm Schott, er lag so, als ob er versucht hätte, das Schott in letzter Minute zu erreichen. Ich fand die
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