Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
Vom Netzwerk:
wir sind beide unter Wasser gewesen. Wir haben alles untersucht ... Das hat keiner von uns entdeckt: die »Regina« saß nicht nur im Sand fest, sie hatte sich auch noch auf ein altes Wrack gesetzt, das seit neunzig Jahren dort liegt, die »EmmyFassdorff«. Deshalb hatten wir keinen Erfolg bei unserem ersten Schleppversuch. Die Trosse brach.
    SIE  Harry, ich weiß alles ... Ich hab doch alles miterlebt ... Begreifst du denn nicht, um was es mir geht? Heute?
    ER   Du bist müde. Müde und überspannt.
    SIE  Mein Gott, nicht einmal das merkst du.
    ER   Was? Was meinst du?
    SIE  Daß ich nicht geweint habe ... Ich war so entsetzt, daß ich nicht einmal weinen konnte ... Weißt du nicht mehr, was wir uns versprochen hatten?
    ER   Nimm die Luft raus, Doris.
    SIE  ... bei der Taufe der Kinder ...
    ER   Sie werden zurückbekommen, was ihnen gehört ... Verdammt noch mal, ich werde ihnen sogar etwas dazulegen. Zufrieden?
    SIE  Auf einmal ist es weg, Harry ... Die Sicherheit, dies Gefühl unbedingter Sicherheit ... Es war das Schönste für mich, das Wichtigste ... Sie konnten sagen über dich, was sie wollten ... Mich konnten sie nicht erschüttern ... Das war meine Festung: ich war deiner ganz sicher. Ich konnte es mir leisten, zu schweigen, wenn sie es auf dich abgesehen hatten ... auf den »Fuchs der Küste«.
    ER   Sag bloß, ich hab nicht für euch getan, was ich tun konnte.
    SIE  Das ist nicht wahr.
    ER   Und mit wem habe ich alle Unternehmungen besprochen? Mit wem, hm?
    SIE  Seit drei Tagen ist es nicht wahr.
    ER   Ich versteh dich nicht ... Wirklich, Doris, ich komm einfach nicht mehr mit.
    SIE  Wenn dein Bild in der Zeitung war ... Immer wenn dein Bild in der Zeitung war nach einer gelungenen Bergung ... Mutter las kaum den Text ... Sie studierte immer nur dein Photo ... Und immer sagte sie: Hoffentlich mußt du es nicht erleben – Harry hält sich an keine Regel. Wenn etwas auf dem Spiel für ihn steht, setzt er sich über alles hinweg ... Ich wollte es ihr nicht glauben.
    ER   Jetzt weißt du also Bescheid.
    SIE  Im Grunde hast du alles für dich getan.
    ER   Träumst du? Sag mal, träumst du? Hast du vergessen, daß hier am Tisch der Ägypter saß, der ägyptische Reeder? Wer hat den Vorschlag gemacht, ihn zum Abendessen einzuladen? ... Na, dämmert es bei dir? ... Weißt du nicht mehr, wie du mich unter dem Tisch angestoßen hast, als er uns sechshunderttausend bot für das Vorschiff der »Regina«? Du hast ihm die Bilder der »Regina« gezeigt ... Er wollte das Vorschiff als Ponton verwenden ... Aber das ist ja gleichgültig ... Wir waren gerade Eigentümer des Wracks, da kam dieses Angebot, dies einmalige Angebot ... Unsere Feier hinterher, als wir allein waren ... Hast du unsere Feier vergessen? Soll ich wiederholen, was du mir gesagt hast? Wer hat nicht schlafen können vor Freude, vor Erregung, wer? ... Und du sagst, ich hätte alles nur für mich getan ...Glaub mir, Doris, seit dem Tod meines Bruders, seit ich sein Bergungsgeschäft übernommen habe, hat es für mich keinen Tag gegeben wie diesen: auf einmal spürte ich, was Zufriedenheit ist ... Und um sie zu erhalten, nahm ich mir vor, an der »Regina« ganze Arbeit zu leisten, wie’s dein Vater nannte. Ganze Arbeit.
    SIE  Darum geht es doch gar nicht, Harry.
    ER   Worum denn?
    SIE  Um deine Maßlosigkeit ... Du kennst keine Grenzen mehr ... Dein Ziel ... um dein Ziel zu erreichen, ist dir jedes Mittel recht ... Du kannst nicht aufgeben. Vielleicht ist es Stolz, vielleicht Besessenheit ... Vielleicht so ein Komplex ... Ich weiß nicht ... Du mußt einfach bis zum Letzten gehen, ohne Rücksicht.
    ER   Mach dir doch nichts vor, Doris ... Was du da redest, diese Beschuldigungen – auf so was kommt man in der Nähstunde ... In meinem Beruf mußt du durchhalten, das weißt du ... Aufgeben ... Du mußt doch wohl zugeben, daß ich uns nur deshalb soweit gebracht habe, weil ich niemals aufgebe.
    ER   Hast du mal zusammengerechnet, wieviel du schon investiert hast? Seit einem Jahr zahlst du und zahlst du ... Noch hat sie sich nicht einen Zentimeter bewegt, deine »Regina«.
    ER   Doris, ich muß dir etwas sagen, etwas Ernstes.
    SIE  ... Zwölfhundert Tonnen Stahl, das ist alles, was du bisher rausgeholt hast. Dafür hast du einen Kranverloren ... Wenn du mich fragst: damals hättest du aufhören sollen.
    ER   Meinst du?
    SIE  Ja.
    ER   Bisher hast du’s noch nicht ein einziges Mal gesagt ... Bisher warst du doch

Weitere Kostenlose Bücher