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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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schnellten sichin die Luft. Nun waren die Flügel des Netzes zu sehen. Da steckten Schilfplötze drin mit rot leuchtenden Flossen. Die Eisfischer zogen die Flügel zusammen und hoben das Netz auf das Eis; dann schüttelten sie die Fische aus. Die Fische hopsten und sprangen auf dem Eis, viele Fische: dunkelgrüne Barsche, die ihre Stacheln aufrichteten, silberne Brassen, Schleie, Zander und fünf silbergrüne Hechte mit Mäulern wie Entenschnäbel. Die Fischer sortierten die Fische in Holzkästen. Die kleinen Fische schenkten sie uns.
    Natürlich wollten wir am liebsten einen Hecht haben, denn das ist der beste Fisch in unserem See. Aber einen Hecht wollten die Fischer uns nicht schenken. Und einen aus der schuppenbedeckten Kiste nehmen, das konnten wir nicht, weil jeder Eisfischer die fünf Hechte gezählt hatte. Langsam gezählt.
    Nun wußten wir aber schon, daß jeder Räuber seine Beute abgibt, wenn er ertappt wird; darüber wundert man sich nicht mehr. In unserm See ist der Hecht der schönste und stärkste Räuber. Wir sahen uns die fünf Hechte in der Kiste aufmerksam an. Die Eisfischer tranken wieder mal Kaffee. Ein Hecht war sehr dick und atmete auch angestrengt. Wir massierten seinen silbernen Bauch. Wir hoben ihn am Schwanz in die Höhe. Plötzlich spuckte er einen kleinen Hecht aus, den er kurz vorher verschluckt hatte. Den hatten die Eisfischer nicht gezählt, und als sie sahen, daß wir einen Hecht hatten, gingen sie gleich zur Kiste und zählten nach, einmal und noch einmal: Da waren immer noch fünf drin. Jetzt strichensich die Eisfischer die kleinen Eiszapfen aus dem Schnurrbart und wunderten sich, und weil sie sich lange wundern können über etwas, wundern sie sich vielleicht auch heute noch.
    Als sie mit ihren flachen Schlitten davonfuhren, riefen sie »Hooo-oh«. Da riefen auch wir »Hooo-ah«, und es klang wie »Hob Dank«.
    1966
     
     
     
     
    ... angesichts der Binnenseen in dieser Stadt käme wohl niemand auf die Idee, hier seien Fische vorhanden. Als alter Angler war ich immer daran interessiert, herauszufinden, ob es hier Fische gibt, wer die Fischrechte hat und ob der, der die Fischrechte hat, auch in der Lage ist, etwas zu fangen.
    Was wir sehen, sind die Binnen- und die Außenalster. Und auf den ersten Blick, und für den Hamburger erkennbar, liegen große Hotels herum, große Kaufhäuser. Und als Angler, als passionierter Fischer, fragt man sich: Gibt es im Zentrum dieser Millionenstadt, in diesen beiden Binnenseen, Fische? Ich habe diese Frage lange erörtert, habe viele Anekdoten erfahren – wie die, daß ein Kellner eines großen Hotels an der Binnenalster nicht glauben wollte, daß es dort Fische gibt, daß er sich eines Tages eine Leine um seinen Bauch band, sich auf eine Kaimauersetzte, die Leine auswarf mit einem großen Köder und dann verschwand. Geangelt wurde von einem zentnerschweren Wels – der Angler wurde geangelt!
    Aber neben solch netten Anekdoten – ich habe mich für diese Fragen interessiert und erfahren, daß die Fischer von Finkenwerder ein verbrieftes Fischrecht für die Binnen- und für die Außenalster haben.
    Die Fischer von Finkenwerder, also jenseits der Elbe?
    Die Finkenwerder fischen tatsächlich im Herzen einer Großstadt Hunderte von Zentnern Fisch. Hier könnte man fast »ernten« sagen, und zwar hauptsächlich Karpfen, Schleie und Hechte.
    Erstaunlich, ich habe noch nie Fische in der Alster gesehen.
    Das liegt sicher daran, weil das Wasser trüb ist, ölverschmiert mitunter, und Fische grundsätzlich keine Neigung haben, sich dem Spaziergänger persönlich vorzustellen.
    Wo angeln die eigentlich an der Alster? Wenn man nach Hamburg kommt und dieses viele Wasser sieht, meint man immer, es müßte wie an der Seine sein, Angler neben Angler.
    Die Finkenwerder Fischer könnten natürlich nie davon leben, wenn sie den Fisch in der Binnen- oder Außenalster »angelten«. Sie fangen ihn mit Netzen – und zwar nach einer altbewährten Methode: Das Netz wird ausgeworfen und gegen Land hin, gegen eine Ecke des Ufers hin, zusammengefaßt und dann auf Land gezogen. Es wird in gewisser Weise geerntet, man zieht das Netz mitallem, was sich darin fängt, in eine Ecke – das macht man sechs- oder achtmal.
    Aber warum habe ich das noch nie gesehen?
    Das geschieht natürlich nicht zur Nachmittagszeit und nicht zur Mittagszeit, sondern morgens um 3 Uhr – und wenn man um drei an die Alster geht an gewissen Tagen, wird man dieses herrliche Schauspiel erleben

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