Wasserwelten
ausschweifendes Zeremoniell hinwegsetzen. Erinnere dich doch bitte nur an das spanische Hofzeremoniell Philipps II.: bevor man in den blendenden Genuß kam, den Thron des Herrschers zu sehen, mußte man vier Räume durchschreiten, und diese Räume dienten der Vorbereitung, man konnte nicht schlankerhand ins Heiligtum treten. So ähnlich verhält es sich auch beim Angeln. Man muß sich vorbereiten. Man muß das Zeremoniell respektieren. Alle Angler würden beispielsweise Kohlen an deinen Scheiterhaufen heranscharren, wenn du mit einem Stöckchen und etwas Schnur und kommunen Würmern hingingest, um Forellen zu fangen. Vorbereitung ist alles, und diese Vorbereitung beginnt, wenn die innere Einstellung zur Beute nichts mehr zu wünschen übrigläßt – mit dem Angelgeschirr, mit seiner kunstvollen, bedächtigen Auswahl und Zusammenstellung.
Zunächst also triffst du eine schwierige Entscheidung in der Auswahl der Rute: hast du Grund, anzunehmen, daß bei dir leichte Hechte und Forellen beißen, dann entscheidest du dich vielleicht für die »Smart«-, die »Junior«-, die »Baby«-, »King«- oder »Quick«-Rute. Du würdest dich der gnadenlosen Lächerlichkeit der fachmännischen Bruderschaft preisgeben, wenn du dafür die schwere »Helgoland«-, die »Kapitäns«-, »Senior«- oder »Master«-Rute benutztest. Ach, es gibt sehr viele Namen,und wenn die Schwierigkeit dieser Entscheidung vorbei ist, kommt die Rolle dran. Auf ihr sind vierzig, hundert oder sogar zweihundert Meter Schnur drauf, man braucht sie, um einen großen Fisch zu drillen, um mit Hilfe einer simplen physikalischen List der Gewichtverteilung den Fisch müde zu machen. Es gibt »automatische«, »halbautomatische« und »vollautomatische« Rollen, es gibt sie für schwere und leichte, für Grund- und Spinnangelei. Und natürlich gibt es das Rollenzubehör: Halter, Gummiringe, Fett, Öl und Turniergewichte. So, und nun kommt die Schnur, ein Kapitel für sich, ein strenges Kapitel. An einer Schnur hängend dachten sich die Alten das Universum, und – ist es verwunderlich, wenn der Angler ihr so viel bedeutsame Aufmerksamkeit schenkt? Die Schnur trägt den Fisch, sie ist die waghalsig dünne Verbindung zur Beute, der geflochtene, emaillierte, gefettete Turnier- und Todesfaden. Wer wird sich unterstehen, hier etwa von »Strippe« zu reden, wo es Namen voll poetischer Anspielungen gibt: »Pfeffer und Salz« heißt eine Schnur, es gibt Keulen-, Fliegen- und Torpedoschnüre – wähle sie sorgsam aus!
Nun ist’s bald geschafft: zwei Dinge fehlen noch zur gewöhnlichen Angel, der Schwimmer und der Haken. Der Schwimmer, die Pose, zeigt dir an, was los ist unten im Wasser, sie beginnt zu vibrieren, wenn ein Fisch die Schmackhaftigkeit des Köders prüft, und sie taucht unter oder setzt sich in Bewegung, wenn er sich zur Mahlzeit entschlossen hat. Natürlich wird ein Angler nie einen Holland-, Kork- oder Trolitulschwimmer nehmen, wenner mit kleineren Fischen rechnet. Diese Schwimmer sind zu schwer und würden nur den Argwohn des Fisches hervorrufen. In solchem Fall entscheidet man sich eher für eine Stachelschwein-, Gummi- oder Federsturmpose.
Gut. Und jetzt kommt der Haken: oh, glaube nicht, daß jeder Haken für jeden Fisch zu verwenden wäre. Natürlich, dem Fisch ist der Haken schnuppe, aber der Angler – er möchte den Karpfen auch garantiert auf einen Spezialkarpfenhaken (mit geschlitzten Schenkeln) anbeißen sehen, den Aal auf einen verzinnten Aalhaken, den Wels auf einen Blitz-Doppelhaken, überhaupt jeden Fisch auf den für ihn bestimmten Angelhaken. Dann erst ist der Anglersieg makellos, der Genuß unüberbietbar, das Zeremoniell erfüllt. Es gibt Hunderte von Haken, gebräunte und blasse, eiserne und echt vergoldete, kurz- und langschenkelige – wähle umsichtig und mit Muße. Denn sonst bist du unten am Wasser, die Fische beißen mit lautloser Gier, und es kommt einer, der viel versteht vom Angeln und dir sagt, der Haken sei nicht der gedachte.
Da hilft gar nichts: auch wenn du dem Fachmann sieben Karpfen vorweisen könntest, zwei Hechte und sechsundzwanzig Barsche – der Haken, hol’s der Teufel, muß stimmen, sonst ist der Erfolg nur ein Mißverständnis, ein Irrtum. Jedenfalls: die gewöhnliche Angel ist erst einmal fertig, die einfache Stipp- oder Grundangel, die billigste Freude dieses Sports. Glaube nun nicht, damit sei alles getan, die Vorbereitung vorüber: das Angeln besteht – wie die Meditation der Yogi – im wesentlichen aus
Weitere Kostenlose Bücher