Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
Deshalb überraschte ihre Antwort ihn.
„Nein. Das würde ich dir nie antun.“
Beim überzeugenden Klang ihrer Stimme horchte er auf, doch sie fuhr fort, ehe er etwas sagen konnte.
„Aber ich fürchte, jemand anders wird es tun.“
„Wer?“
„Darum rufe ich an.“
Glaubte sie, er könnte sein Schweigen brechen? Wenn er das vorgehabt hätte, dann hätte er das auf dem Polizeirevier getan, als er wieder einmal in Versuchung gewesen war, seinen Fehltritt mit Karen zu benutzen, um John wehzutun. „Ich würde nie etwas sagen. Er könnte dich danach nie wieder berühren, ohne dabei an mich zu denken.“ Und er würde immer wissen, dass sie Cain zuerst gewollt hatte. Das wäre die wahre Rache. Aber es war eine Rache, die er nie ausgeübt hatte und auch niemals ausüben würde.
„Wem hast du es dann erzählt?“, fragte sie.
„Niemandem.“
„Niemandem? Keiner Menschenseele?“
„Nein“, sagte er und fragte sich, warum sie ihm nicht zu glauben schien.
„Das kann nicht stimmen.“
Cain hatte angenommen, dass sie lediglich versuchte, sich zu vergewissern, dass einer Heirat nichts im Wege stand und er ihre Ehe mit John nicht sabotieren würde. Aber das hatte er nicht erwartet. „Wie bitte?“
„Es gibt noch jemanden, der Bescheid weiß.“
„Wie kommst du darauf?“
Ein weiteres langes Schweigen folgte. Dann hörte er sie seufzen. „Können wir uns treffen? An der Ecke Rollingwood und Old Schollhouse Road?“
„Warum?“
„Ich muss dir etwas zeigen.“
22. KAPITEL
Fast eine Stunde wartete Cain an der vereinbarten Kreuzung, aber Karen tauchte nicht auf. Frustriert stieg er schließlich in seinen Truck und fuhr zu ihr, um zu sehen, was das zu bedeuten hatte. Als er Johns Wagen vor ihrem Haus entdeckte, wusste er Bescheid. Wahrscheinlich hatte sein Stiefvater Karen überrascht, und solange John da war, konnte sie ihn noch nicht einmal anrufen. Cain besaß ohnehin kein Handy.
Er fragte sich, was Karen ihm unbedingt zeigen musste und warum sie so eisern darauf beharrt hatte, dass jemand nach zwölf Jahren etwas über ihren gemeinsamen Nachmittag herausgefunden hatte. Schließlich fuhr er weiter zu Sheridan. Es war zu spät, um an ihre Tür zu klopfen, aber zumindest konnte er sich vergewissern, dass niemand um das Haus herumschlich.
Er parkte offen sichtbar auf der anderen Straßenseite, für den Fall, dass Sheridan oder Skye aus dem Fenster schauten. Er wollte ihnen keine Angst einjagen oder selbst erschossen werden. Er wollte nur überprüfen, ob sie in Sicherheit waren. Doch sobald er seinen Truck verlassen hatte, hörte er eine Stimme aus der Dunkelheit.
„Na, wenn das nicht der Mann der Stunde ist!“ Tiger lehnte am Zaun neben dem Haus. Er hatte also beschlossen, sich hier zu betrinken.
„Seit wann wohnst du hier in der Gegend?“, fragte Cain.
„Du bist hier doch auch nicht zu Hause.“
„Ich bin hier, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist.
„Hat Sheridan dich darum gebeten?“
„Nein.“
„Habt ihr beide was miteinander?“
Cain konnte sich nicht entscheiden, wie er die Beziehung zwischen Sheridan und sich nennen sollte. Er wollte sie unbedingt wieder in seinem Haus haben, in seinem Bett. Aber er wusste nicht, ob das eher an dem lag, was in der Vergangenheit zwischen ihnen vorgefallen war, sowie an der Tatsache, dass sie bereits miteinander geschlafen hatten, oder an den ungewöhnlichen Umständen, durch die sie in seine Obhut geraten war.
War es überhaupt die Mühe wert, sich zu entscheiden? Sie würde die Stadt ohnehin verlassen, vermutlich genau dann, wenn er es herausgefunden hatte.
„Wir sind Freunde.“
„Das scheint die Frauen, die du kennst, nicht zu stören. Sie wollen dich trotzdem.“
„Das mit Amy tut mir leid, Tiger!“
Tiger starrte ihn an, dann verzog er das Gesicht. „Verdammt! Warum kann ich nicht auf dich sauer sein?“
„Weil ich im Moment genug damit zu tun habe, allen anderen als Zielscheibe zu dienen.“
Tigers Lächeln entblößte seinen abgebrochenen Zahn. Er hatte ihn schon so lange, dass Cain sich nicht mehr erinnerte, wann das passiert war oder wer ihm den Zahn ausgeschlagen hatte. „Oh, ja, in letzter Zeit hat es dich ganz schön erwischt, was?“ Er nahm einen tiefen Schluck Bier. „Ich schätze, es ist einfacher, dir noch ein bisschen mehr aufzuladen, als die Wahrheit zu akzeptieren.“
Diese Worte genügten Cain als Bestätigung. Er wusste, was Tiger im Moment durchmachte. „Wirst du auf der Beerdigung reden?“,
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