Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
sie mit Skye fahren zu lassen.
Natürlich hatte er in dem Moment keine andere Wahl gehabt. Er hätte sich schlecht zurückhalten können.
Als das Telefon klingelte, packte er den Hörer, in der Hoffnung, ihre Stimme zu hören. Seit sie gegangen war, hatte sie sich nicht gemeldet, und das quälte ihn genauso wie alles andere.
„Hallo?“
„Es ist deine Schuld, dass sie tot ist.“
Tiger. Seine Worte klangen verwaschen. Er hatte schon wieder getrunken.
„Ich habe Amy nicht gebeten herzukommen, Tiger.“
„Das war auch nicht nötig“, sagte der und legte auf.
Fluchend legte Cain das Telefon zurück. Die Emotionen kochten hoch in Whiterock. Ned und Tiger zeigten wegen Amys Tod beide mit dem Finger auf ihn, aber sie war aus eigenem Antrieb zu ihm rausgekommen, häufig sogar, wie sein Nachbar sagte. Und in der Nacht der Schießerei war sie nicht ins Haus gegangen, wie er ihr gesagt hatte, sondern hatte genau das Gegenteil gemacht. Dabei hatte er sie jahrelang gebeten, ihn zu vergessen. Was konnte ein Mann noch tun, um einer romantischen Umklammerung zu entgehen?
Nichts. Er hatte ihr nie falsche Hoffnungen gemacht oder Versprechen gegeben, die er nicht halten konnte. Selbst als sie während der Highschoolzeit miteinander geschlafen hatte, hatte sie gewusst, dass er nicht mit dem Herzen dabei war.
Er fühlte sich nicht verantwortlich, aber er war traurig -traurig, weil sie ihn ohne jede Ermutigung so sehr geliebt hatte, traurig, weil er ihre Gefühle nicht erwidern konnte, obwohl er manchmal gedacht hatte, er könnte es zumindest versuchen. Traurig, dass jemand ihrem Leben einfach ein Ende gesetzt hatte, als gelte es nichts. Und er hatte Angst, dass Sheridan dasselbe zustoßen könnte, wenn er nicht irgendetwas unternahm, um es zu verhindern.
Er überlegte, sie anzurufen, aber ihr Handy war immer noch außer Betrieb. Und Skyes Nummer hatte er nicht.
Kurzerhand beschloss er, in die Stadt zu fahren, und griff nach den Schlüsseln, die oben auf dem Kühlschrank lagen. Er bezweifelte, dass Sheridans Freundin besonders erfreut sein würde, ihn zu sehen. Sie schien ihm nicht ganz über den Weg zu trauen, aber das war ihm egal. Er würde sich nie entspannen können, solange er sich nicht irgendwie vergewissern konnte, dass Sheridan in Sicherheit war.
Er hatte gerade die Vordertür erreicht, als das Telefon erneut klingelte. Er erwartete weitere gelallte Anschuldigungen von Tiger und hatte es nicht besonders eilig, den Anruf entgegenzunehmen. Doch nachdem es noch zweimal geklingelt hatte, ging er hinüber und überprüfte die Anrufer-ID.
Es war nicht Tiger. Das Display zeigte K. Stevens.
Warum sollte seine ehemalige Englischlehrerin ihn anrufen? Er hatte genauso wenig Lust, mit ihr zu sprechen wie mit Tiger. Sogar noch weniger, um ehrlich zu sein. Aber sie hatte ihn noch nicht angerufen, seit sie wieder zurück war. Er nahm an, dass es sich um etwas Wichtiges handeln musste – im schlechten Sinne.
Er setzte sich auf die Armlehne des nächsten Sessels und nahm ab. „Hallo?“
„Cain?“
„Ja.“
„Hier ist Karen.“
„Ich weiß.“
„Es … tut mir leid, dass ich dich störe, vor allem so spät.“
Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er hegte keinen Groll gegen sie, aber soweit es ihn betraf, war eine Freundschaft zwischen ihnen nicht möglich. Dazu war zu viel geschehen.
„Kein Problem“, sagte er und wartete darauf, dass sie damit rausrückte, weshalb sie angerufen hatte.
„Dein Stiefvater hat mich heute gebeten, ihn zu heiraten.“
Das Letzte, was er mitbekommen hatte, war der Streit im Restaurant gewesen. Karen hatte John gesagt, er solle sie nie wieder anrufen, und Cain hatte gehofft, dass das das Ende ihrer Beziehung gewesen war.
Aber natürlich war es das nicht. Und das hier war genau die schlechte Nachricht, auf die er schon seit Langem wartete.
Cain sagte nichts und stellte sich vor, was die Heirat für Karen bedeuten mochte, für ihn, für seinen Stiefvater und seine Stiefbrüder. Zumindest würde es die Beziehungen, die ohnehin schon nicht einfach waren, noch weiter verkomplizieren. Was, wenn Marshall ihn im November drängte, zum Thanksgiving-Dinner mitzukommen? Er malte sich aus, wie er Karen gegenübersaß und die Schuldgefühle in ihren Augen sah, eine ständige Mahnung an das schreckliche Geheimnis, das sie vor John verbargen. Und das war noch die bessere von zwei reizlosen Möglichkeiten. Wahrscheinlicher war es, dass Karen am Ende klein beigeben und John alles
Weitere Kostenlose Bücher