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Watermind

Watermind

Titel: Watermind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.M. Buckner
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Boot unter den hochgezogenen Bug der Chasseur treiben. Ihr Viper lag tief im Wasser, so dass man sich auf dem größeren Schiff weit über die Reling lehnen müsste, um zu sehen, wie sie sich genau unter dem Bugspriet versteckte. Sie hing ein paar Fender über die Bordwand, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, dann machte sie ihr Boot an der tropfenden Ankerkette der Chasseur fest. Als Nächstes versenkte sie die Lubell-Lautsprecher an einer zehn Fuß langen Leine im Wasser.
    »Wie wär's mit einer neuen Musiklektion?«, flüsterte sie.
    Es war Max gewesen, der daran gedacht hatte, die Lautsprecher und die Schachtel mit den CDs zu holen, nachdem CJ wütend davongestürmt war. Max, der edle Ritter. Sie durchsuchte den CD-Stapel, bis sie die einfachen Keyboardmelodien fand, die sie aufgenommen hatte. Es waren insgesamt zwölf, zusammengehalten von einem Gummiband, und dazwischen steckte ein zusammengelegter Zettel. Sie entfaltete ihn und erkannte Max' Handschrift wieder. Er hatte die Reihenfolge der Titel notiert. »Sa sehr wichtig, sie in dieser Abfolge zu spielen«, hatte er gesagt. Sie schob die erste CD ein.
    Sie strich mit den Fingern durchs frische Süßwasser und dachte über ein Rätsel nach, dessen Lösung sie immer noch nicht gefunden hatte. Warum reagierte das Kolloid ausgerechnet auf Musik?
    Sie erinnerte sich an Max' Worte: »Selbst kleine Kinder verstehen, was ein Lied bedeutet. Selbst Tiere.«
    Jedenfalls funktionierte es. Allein das zählte. Und wenn der kleine Strang im Bassin lernen konnte, einen Walzer zu komponieren, musste aus dem ausgewachsenen Kolloid ein Meisterkomponist werden.
    Sie balancierte Max' CD-Player auf einem Knie und das Feldmessgerät auf dem anderen. Sie musste sich konzentrieren, um die verschwommenen Ränder des Kolloidfeldes zwischen all den anderen chaotischen Mustern zu erkennen. Sie musste das Instrument genau im Auge behalten.
    »Die Jam-Session kann losgehen«, flüsterte sie und drückte die Play-Taste.

65
    Donnerstag, 17. März, 9.01 Uhr
    Roman hockte neben Yues Koje auf dem Boden. Das Wasserflugzeug war unterwegs, um die NovaDam-Säcke anzuliefern, mit denen er seinen Feind gefangen setzen wollte. Vaarveen hielt Wache. Bald, schon sehr bald. Roman schluckte eine weitere rot-schwarze Kapsel und wankte auf den Fußballen vor und zurück. Das hatte er seit seiner frühen Jugend nicht mehr getan, wenn seine verwitwete Mutter ihn in einen Schrank gesperrt hatte, weil er die Messe versäumt hatte. Seine Mutter spielte in seinem Leben keine Rolle mehr. Verbittert und arthritisch siechte sie im alten gelben Haus in Mar del Plata dahin. Sollte sie doch dem Meer und den Wolken zürnen. Er bezahlte für ihren Lebensunterhalt, und das musste genügen. Doch als er nun auf dem angeschimmelten Teppich der Chasseur kauerte und Yue im Schlaf beobachtete, konnte er nicht mehr mit dem Schaukeln aufhören.
    Yue war zusammengebrochen und mit dem Kopf gegen einen Monitor gestoßen. Die Wunde an ihrer Schläfe blutete immer noch leicht, und Roman wusste, dass er ihr zu viel zugemutet hatte. Genauso wie er hatte sie nur mit Hilfe der schwarz-roten Kapseln überlebt. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal ausgeruht hatte. Vor wenigen Augenblicken, als er sie in die Kabine hinuntergetragen hatte, hatte sie sich wie ein Sack voller Vogelknochen in seinen Armen angefühlt. Er hatte ihr die Schuhe ausgezogen und ihr ausgezehrtes Gesicht mit einem Tuch gewaschen. Früher war sie sehr hübsch gewesen.
    Als er neben ihrem Bett vor und zurück schaukelte, sehnte er sich danach, seine Stirn auf die weiche weiße Kante der Matratze zu legen. Doch er befürchtete, dass die Baumwolle nicht stabil genug war, um das Gewicht seines Schädels zu tragen. Wenn er dagegendrückte, würde er durch die Fasern und Metallfedern diffundieren. Seine Moleküle würden sich auflösen, und er würde in das Reich der Atome eintreten, wo seine Bestandteile völlig zusammenhanglos durch die Leere wirbelten.
    » Qué ?«
    Er schüttelte sich, um wach zu werden, stand auf und stieg über die taufeuchte Leiter nach oben. Jemand hatte Kaffee gemacht. Eine verbrannte Plörre, aber er trank sie trotzdem. Die Hilfe der Küstenwache und des Ingenieurcorps anzufordern hatte seine gesamte Energie verbraucht. Er verabscheute diese bürokratische Scheiße, aber er hatte sie trotzdem gefressen. Mit der Zunge befühlte er seine pelzigen, ungeputzten Zähne, und er fühlte sich innerlich schmutzig. Um die Mitarbeit der

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