Watermind
wie eine Fata Morgana.
Fische, die sich ins aufgestaute Wasser verirrt hatten, lagen bereits im Sterben, und es stank nach verrottenden Algen. Die Gerüche wären für Ceegie das Schlimmste. Max wusste genau, wie sehr ihr die Hitze zusetzte. Er schlug nach einem Moskito auf seiner Wange, dann betrachtete er den Blutfleck in seiner Hand.
Wusch, wusch, wusch – der Fluss erfand immer neue Rhythmen. Als sein Boot wieder gegen die Steine stieß, fluchte er. Sacony hatte sich eben per Funk gemeldet. Er wollte, dass Max mit Ceegie sprach und sie überredete. Der Boss wollte Max bestimmte Worte in den Mund legen. Deyò . Mistkerl. Max spuckte in den Fluss.
Er biss die Zähne zusammen, zog seine Schuhe an und sprang in den knietiefen braunen Schlamm. Der zähe Schlick saugte an seinen Schuhen, und mit jedem Schritt stellte er sich vor, gegen Saconys Unterkiefer zu treten.
»Warum lassen wir uns von diesem Mann beherrschen?«, murmelte er. »Magerer alter deyò .«
Max griff ins Wasser und hob den Anker heraus. Die Flunken schnitten ihm in die Hände. Er steckte fest. Mit einem weiteren phantasievollen Fluch hockte er sich in den stinkenden Mississippi-Schaum und zerrte mit aller Kraft, bis der Anker einen hundert Pfund schweren Kalksteinbrocken losriss.
Wankend richtete er sich auf und hielt den Anker in den Armen, während schleimige grüne Algenfäden über seine nassen Jeans flossen. Mit zitternden Muskeln hob er den Anker hoch und warf ihn ins Jetboot, das sich sofort in die Strömung drehte und flussabwärts glitt. Max sprang, erwischte gerade noch die Bordwand und zog sich aufs Deck. Verdammte Befehle von Sacony! Er ließ den Motor an und fuhr durch eine Rinne in den Flussarm.
80
Freitag, 18. März, 16.08 Uhr
Die dunstige Hitze an Manchac Point dämpfte das Summen der Insekten. Schwimmende Wasserlinsen überzogen das Wasser wie eine pelzige grüne Decke. Doch unter der stillen Oberfläche tobte eine Kakophonie. Schottische Kontratänze konkurrierten mit Bossa nova. Bluegrass aus Ozark vermischte sich mit spanischem Flamenco, und Nashville-Rockabilly ging in kubanischen Cha-Cha-Cha über. Die Arrhythmien und Dissonanzen der Bongos, Banjos, Sitars und Saxophone verbanden sich zu unerwarteten neuen Harmonien und verrückten Synkopen. Erratische Druckwellen setzten den Ohren der Welse zu. Schlanklibellen flogen surrend davon. Allein mit der Technik saßen Max und CJ im Heck der Chasseur und hielten Händchen.
»Was sollst du zu mir sagen?«, fragte sie.
Max zog sie an sich heran und küsste sie. Ihre Haut klebte zusammen, wo sie sich berührten, dann lösten sie sich mit einem leisen, feuchten Geräusch. Max grinste über die Spuren von Schlamm in CJs Haar. Unter der Dusche nahm sich das Mädchen nie genug Zeit. Er zog ein Tuch aus der Tasche, befeuchtete es mit der Zunge und betupfte damit den Schmutzrand an ihrem Ohr. »Sacony sagte, ich soll dich überreden, damit du hilfst, djab dile einzufangen. Der Dummkopf hat immer noch nicht verstanden, dass man CJ zu nichts bequatschen kann.«
Sie schloss die Augen und ließ zu, dass er mit seiner Spucke ihr Ohr säuberte. Seine Berührung entspannte sie, und wenigstens für einen kurzen Moment fühlte sie sich sicher. Ihr Kolloid hatte sich dem überfluteten Feld nicht genähert, aber es war auch nicht geflohen, wie sie gehofft hatte, trotz des entsetzlichen Musikbombardements. Vielleicht hatte die starke Strömung des Flusses den größten Teil des Lärms mitgenommen. Auf jeden Fall schmiegte sich die glitzernde Emulsion weiter an das warme Betondeckwerk am gegenüberliegenden Ufer.
»Und womit hat Roman dir gedroht, falls du es nicht schaffst?« Sie hielt ihm das andere Ohr hin, damit er es ebenfalls putzen konnte.
Max lächelte und küsste sie auf die Nase. »Er will mich entlassen, damit ich mich ganz um meine Musik kümmern kann.«
Sein dunkles Gesicht war ihr sehr nahe. War er ein attraktiver Mann? Sie beobachtete, wie sich seine bernsteingelben Augen konzentriert verengten, als er einen Schlammspritzer an ihrem Haaransatz wegrieb. Seine Nase schien viel größer zu sein, als sie sich erinnerte. Sein Atem roch nach Kaugummi. Könnte er der Vater ihres Kindes sein?
Nein. Es gab kein Kind. Kein Kind.
»Wir müssen so tun, als hättest du mich überredet«, sagte sie und drückte seinen Arm.
»Mädchen, dieser Job ist nicht meine einzige Hoffnung. Du tust, was dein lespir dir sagt. Aber …« Erneut befeuchtete er das Taschentuch mit der Zunge.
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