Watermind
hatte er tonnenweise Ausrüstung und scharenweise Quimicron-Mitarbeiter bereitgestellt, um die Aufräumarbeiten zu unterstützen. Als er durch die Straßen gewatet war, hatte er die braunen, schwarzen und bleichen Menschen gesehen, die man wie Abfall zurückgelassen hatte. Ausgehungerte Kinder, obszön fluchende Mütter, erschöpfte Väter, die stumm geworden waren. Und er hatte festgestellt, dass diese verlassenen Seelen in den Krankenhäusern der Innenstadt ihn auf eine Weise, die er nicht in Worte fassen konnte, an sich selbst erinnerten.
Mar del Plata, seine Stadt am Meer – selbst jetzt noch konnte er hören, wie dort die saubere Brandung über den Strand rauschte. Wie geruhsam er die langen Nachmittage mit Grübeln verbracht hatte, im Schutz der gelben Veranda seiner Mutter, wo er seine Sammlung des Time Magazine gelesen und beobachtet hatte, wie die Akazien langsam ihre Blätter abwarfen. Ja, genauso wie die weggeworfenen Armen von New Orleans hatte er sich zurückgelassen gefühlt, unbedeutend und hungrig, aber nicht auf Lebensmittel.
Er konzentrierte den Blick wieder auf die Karte von Louisiana, und mit einem manikürten Fingernagel folgte er der blauen Vene dieses nordamerikanischen Flusses durch das Herz der vielfarbigen Stadt. In der Nähe tauschten Ebbs und Jarmond Schifffahrtsterminologie der Anglos aus, der Roman nicht traute, weil er kaum etwas verstand. Auch sie beschäftigten sich mit Karten des Flusses und suchten nach einer anderen Stelle, wo sie dem Schwarm der Kolloide eine neue Falle stellen konnten.
»Keine weiteren Verzögerungen.« Roman stieß den Finger wahllos auf eine Stelle aus der Karte. »Hier bauen wir die Falle auf.«
»Wo hier?« Ebbs kaute auf seinem Schnurrbart. »Sehen Sie irgendwelche Zuflüsse oder Kanäle? Nein, Sir. Von diesem Punkt an gibt es nur noch Deiche mit solider Steinschüttung, die zu beiden Seiten ohne Unterbrechung den Fluss eindämmen.«
»Vielleicht sollten wir New Orleans evakuieren lassen«, schlug Jarmond vor.
Roman hob die geballte Faust, und der junge Mann wich erschrocken zurück, wobei er die Augen weit aufriss. Nach den Reaktionen der anderen zu urteilen, machte Roman den Eindruck, als stünde er kurz davor, die Selbstbeherrschung zu verlieren. Jarmond bedachte ihn mit einem verletzten Blick.
Roman ließ die Hand sinken, rückte seine Manschetten zurecht und sprach dann in beherrschtem, zischendem Tonfall. »Ich werde nicht zulassen, dass dieser violador New Orleans erreicht. Wählen Sie eine Stelle für den Kampf aus. Entscheiden Sie sich jetzt.«
Jarmond betastete seinen Adamsapfel und beäugte Roman misstrauisch. »Was ist mit dem Bonnet-Carré-Überlaufkanal?«
Wieder zeigte er auf den schmalen grünen Streifen Sumpfland, der kurz vor New Orleans lag. Noch einmal erzählte er ihnen, wie das Corps den Kanal angelegt hatte, um das Mississippi-Hochwasser durch den Lake Pontchartrain in den Golf abzuleiten. Er sagte, dass man ihn seit Jahren nicht mehr geöffnet hatte.
Roman maß die Entfernungen auf der Karte mit seinen Fingerknöcheln. Der Überlaufkanal schnitt eine lange grüne Rinne vom Fluss bis zum See. Die Karte zeigte Deiche, die ihn auf beiden Seiten begrenzten, und einen mäandernden Nebenfluss, der ihn kreuzte. Er war von dichtbesiedelten Vorstädten umgeben. Das war viel zu nahe an der Metropole. Wenn Informationen durchsickerten, hätte es katastrophale Folgen. Roman gefiel der Plan nicht. Er bedachte Ebbs und Jarmond mit einem skeptischen Stirnrunzeln.
Ebbs schüttelte den weißhaarigen Kopf. »Der Fluss führt genug Wasser, um hineinzuströmen, sobald das Wehr geöffnet wird. Kurz dahinter müssten wir einen Damm aufschütten, um die Kolloide einzufangen. Die Frage ist nur, wie wir alle zwanzig durch das Wehr treiben können.«
»Wenn sie nahe genug sind, wird die Schwerkraft sie in den Kanal ziehen. Nicht wahr?« Jarmond ließ seinen Kugelschreiber wie ein Repetiergewehr klicken.
Die drei Männer sahen sich gegenseitig an. Ebbs runzelte die Stirn. »Auf jeden Fall müssen wir die Sache leise durchziehen. Wenn die Öffentlichkeit Wind davon bekommt …« Wieder schüttelte er den Kopf.
Roman sah sich noch einmal ganz genau die Karte an. Dann zählte er die Kolloidfragmente auf dem Computermonitor. Und er zählte das Klicken von Jarmonds Kugelschreiber. »Also gut, rufen Sie Ihren Chef an. Wir machen es.«
Jarmonds Gesicht verzog sich zu einem breiten jungenhaften Grinsen. »Als man den Bonnet Carré das letzte Mal
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