Watermind
Augenwinkel sah er, wie Peter wohlbehalten vom Haken auf den Grasbewuchs des Deiches sprang. Der Deich schien so nahe zu sein, kaum mehr als zehn Meter entfernt. Er konnte einzelne Grashalme erkennen. Frühlingsgrün. In der Sonne glänzend.
Der Steuerknüppel schlug schmerzhaft gegen seine Arme. Der Hubschrauber kehrte mit baumelndem Haken zurück. Roman lehnte sich nach draußen, winkend und rufend. Aber Dan Meir wusste, dass er zu spät kam. Wenige Sekunden später schwang das Boot herum, die Bordwand neigte sich, und Wellen schwappten über das Cockpit. Meir blickte zum Haken hinauf und sah Roman Sacony in die Augen. Dann kippte das Rennboot um und kenterte.
103
Sonntag, 20. März, 12.38 Uhr
Roman sprang aus dem Hubschrauber auf das Wehr, rannte den Steg entlang und hielt an, wo das übel zugerichtete Rennboot lag, sieben Meter unter Wasser. Das Kolloid sammelte sich darüber und knisterte wie elektrischer Sirup.
Die Zeit war zu knapp, um hier länger zu verweilen. Roman hatte nicht die Muße, über Dan Meirs Tod nachzusinnen. Ebbs brüllte ihn an, Lima rief seinen Namen, dennoch stand Roman reglos da, beugte sich über das Wehr und starrte senkrecht nach unten. Ein paar Meter entfernt saß Elaine Guidry am Boden, wo sie zusammengebrochen war, die Beine angewinkelt, und weinte in ihre Hände. Rick Jarmond versuchte ihr aufzuhelfen.
Als das Kolloid durch das Wehr zog, strahlte sein grünliches Leuchten alle Menschen von unten an und ließ sie wie dämonische Gestalten aussehen. Seltsamerweise war der Umgebungslärm plötzlich gedämpft. Das Kolloid bewegte sich leiser als Wasser. Das unterschwellige Rauschen erinnerte an einen noch weit entfernten Ozean. Sein süßlicher Duft schlug Roman auf den Magen, und seine Nackenhaare kribbelten. Er brauchte keinen Kompass, um das mächtige elektromagnetische Feld zu spüren.
Auf einen Schlag klingelten sämtliche Handys gleichzeitig. Als Ebbs und Lima rangingen, hörten sie nur pulsierendes weißes Rauschen. Jarmond beklagte sich laut, dass er kein Signal hatte. Der Flugverkehr zog sich zurück, um den elektronischen Interferenzen zu entgehen.
Unterdessen sprach sich Dréclare über Kurzwellenfunk mit seiner bunt zusammengewürfelten Truppe ab – Hilfssheriffs, Gorillas, die Besatzung der Pilgrim und das Aufräumkommando, das Rory Godchaux aus Baton Rouge geholt hatte, die unterschiedlichsten Leute, die sich zum Teil nicht kannten und von denen einige gar kein Englisch sprachen. Und keiner von ihnen hatte Erfahrung mit Verkehrsregelung. Dréclare versuchte zu erklären, wie die Umgebung des Überlaufkanals von Fahrzeugen geräumt werden sollte, aber ihm und Roman wurde klar, dass sie den schweren Schneesturm des statischen Rauschens nicht durchdringen konnten. Die Sprachfetzen, die sie mit dem Funkgerät empfingen, waren völlig unverständlich. Aber Dréclare versuchte es weiter. Die Schaulustigen hatten endlich entschieden, dass sie sich nicht mehr am Brennpunkt des Geschehens aufhalten wollten.
Die Ströme von Fußgängern flossen die Deichstraßen hinunter, verteilten sich zwischen geparkten Autos und hielten auf die Ausgänge zu. Während Dréclares Team mit Megaphonen verwirrende, widersprüchliche Befehle brüllte, rannten die Menschen chaotisch hin und her, ihre Familien, Picknicksachen und Kühltaschen mit Bier im Gefolge. Beide Zugangsstraßen waren zu großen Parkplätzen geworden, und mehrere Fahrer versuchten auf den schmalen, matschigen Seitenstreifen voranzukommen. Ein SUV fahr einen Hund an. Eine Familienlimousine rutschte seitlich vom Deich und riss die Grasnarbe auf. Ein Buggy voller Jugendlicher wäre beinahe umgekippt und in den glänzenden Strom des Kolloids gestürzt.
Endlich wachte Roman aus seiner Lähmung auf und aktivierte sein summendes Headset. Erstaunlicherweise funktionierte sein Satellitentelefon noch, obwohl Michael Creques Stimme immer wieder unterbrochen wurde, wenn das Feld des Kolloids das Sendesignal störte. Creque sagte, dass Spicer und er bereit waren, mit ihren Pumpen eine Probe einzusammeln.
»Warten Sie nicht auf meinen Befehl. Pumpen Sie, sobald es geht.«
Mit dem Fernglas suchte Roman die Umgebung ab, bis er CJ und Martin auf dem Kanal sah. Sie hielten sich hinter einer Baumgruppe nur wenige Meter vom Damm entfernt auf. Dummes Mädchen! Sie hätten sich kaum eine gefährlichere Stelle aussuchen können. Er versuchte sie anzurufen. Aber das Telefonsignal verflüchtigte sich. Er bekam keine Verbindung.
Auf dem Fluss
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