Watersong - Sternenlied (German Edition)
vorgingen.
Doch nach den Morden und mit dem Wissen, dass sie auf irgendeine Art damit zu tun haben könnte, würde Gemma es auf keinen Fall über sich bringen, Harper oder Alex oder ihrem Vater das Ganze anzuvertrauen.
Einen Menschen gab es jedoch, mit dem sie vielleicht reden könnte, einen Menschen, dessen Kontakt mit der Wirklichkeit so zerbrechlich war, dass er niemals an Gemmas Geschichte zweifeln würde – ihre Mutter.
» Und? Wie läuft’s mit Alex? « , fragte Harper, als sie am Sonntagmorgen mit ihrer Schwester zum Wohnheim der Mutter fuhr.
» Meinst du unsere Beziehung oder wie er allgemein so klarkommt? « , fragte Gemma. Sie lümmelte auf dem Beifahrersitz und schaute durch ihre dunkle Sonnenbrille aus dem Fenster.
» Ähm, beides. « Harper schaute zu ihr, als wäre sie überrascht, dass ihre Schwester so viel gesagt hatte.
Während der gesamten zwanzigminütigen Fahrt nach Briar Ridge hatten sie kaum gesprochen, obwohl Harper mehrere Male versuchte hatte, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Nun, da sie fast am Ziel waren, antwortete Gemma wenigstens in ganzen Sätzen.
» Ganz okay, in Anbetracht der Umstände. In beiderlei Hinsicht. « Gemma zupfte an ihren Ohren, um die Wassermelodie zu dämpfen. Das Lied schien immer lauter zu werden, egal, was sie versuchte, und das machte sie fast verrückt.
» Also, ich bin echt froh, dass du heute mitkommst « , sagte Harper. » Es ist dir bestimmt schwergefallen, Alex allein zu lassen, aber Mom freut sich immer so, wenn sie dich sieht. «
» Da wir schon von Mom sprechen … « Gemma drehte sich zu ihrer Schwester, als sie vor dem Wohnheim vorfuhren. » Ich würde sie heute gern alleine besuchen. «
» Wie meinst du das? « Harper schaltete den Motor ab und sah Gemma aus schmalen Augen an.
» Ich muss alleine mit ihr sprechen. «
» Warum? Über was? «
» Wenn ich dir davon erzählen wollte, müsste ich Mom doch nicht alleine treffen, oder? « , wandte Gemma ein.
» Hmm … « , seufzte Harper und schaute aus der Windschutzscheibe. » Und warum sagst du mir das erst jetzt? Warum bist du nicht allein hergefahren? «
» Mein Auto ist kaputt und außerdem lässt du mich doch sowieso nirgends allein hin « , erklärte Gemma. » Und schon gar nicht mit deinem Auto. Ich war schon ziemlich überrascht, als ich gestern ganz ohne Begleitung zu Alex rüberdurfte. «
» Hör auf. « Harper schüttelte den Kopf. » Stell mich nicht wie eine Hexe hin. Du bist doch diejenige, die mit diesen schrecklichen Mädchen rumgezogen ist! Es ist doch deine Schuld, dass wir dir nicht mehr vertrauen. «
» Harper. « Gemma stöhnte und schlug mit ihrem Hinterkopf gegen die Rückenlehne. » Ich habe nie behauptet, dass es nicht meine Schuld ist. «
» Du führst dich in letzter Zeit völlig durchgedreht auf « , fuhr Harper fort, als hätte sie nicht ein Wort von dem gehört, was Gemma gesagt hatte. » Und dann geht auch noch ein Serienmörder um. Was soll ich denn tun? Dich einfach nach Belieben nachts durch die Gegend ziehen lassen? «
» Meine Güte! Du bist nicht meine Mutter, Harper! « , blaffte Gemma.
» Aber sie ist es, ja? « Harper deutete auf das Wohnheim neben ihnen.
Gemma sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. » Äh, ja, Nathalie ist zufällig tatsächlich meine Mutter. «
» Sie war es vielleicht mal, aber sie musste es dann aufgeben, aus Gründen, an denen sie keine Schuld trägt. Und wer hat dich in den letzten neun Jahren großgezogen? Wer hat dir bei den Schulaufgaben geholfen? Wer sorgt sich die ganze Nacht, wenn du nicht nach Hause kommst, und kümmert sich um dich, wenn du völlig fertig und verkatert bist? «
» Ich hab dich nicht darum gebeten! « , schrie Gemma zurück. » Ich hab dich nie gebeten, dich um mich zu kümmern! «
» Ich weiß! « , rief Harper wütend, als wäre das ein Argument. Sie holte zitternd Luft. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme viel freundlicher. » Wieso kannst du ihr erzählen, was los ist, und mir nicht? «
Gemma sah auf ihren Schoß, zog an den losen Fäden ihrer abgeschnittenen Jeans und schwieg. Wenn sie diese Frage beantwortete, würde sie zu viel preisgeben. Harper durfte auf keinen Fall erfahren, was aus ihr geworden war.
» Gut. « Harper lehnte sich in ihrem Sitz zurück und drehte den Zündschlüssel, damit sie das Radio einschalten konnte. » Dann geh. Sag Mom viele Grüße von mir. Ich warte hier draußen auf dich. «
» Danke « , sagte Gemma leise und stieg aus.
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