Watersong - Wiegenlied: Band 2 (German Edition)
zusammenbleiben. Es hatte ihr das Herz gebrochen, ihn zu verlassen, aber es war das Beste, was sie für ihn tun konnte. Als Sirene würde sie ihm sonst nur Schaden zufügen.
Sie hatte den anderen Sirenen das Versprechen gegeben, mit ihnen zu kommen, wenn sie ihn verschonten und ihre Schwester Harper in Ruhe ließen, und Gemma war fest entschlossen, ihren Teil der Abmachung einzuhalten. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um Alex und Harper zu beschützen. Auch wenn das bedeutete, sie nie wiederzusehen.
» Mir geht’s gut«, beharrte Gemma, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, und drehte den Wasserhahn zu.
» Was haben wir heute für einen Tag? Mittwoch?«, fragte Thea, während Gemma sich das Gesicht an einem Handtuch abtrocknete. » Dann bist du jetzt seit wann… seit acht Tagen eine Sirene? Genau. Du musst dringend etwas essen.«
» Ich esse doch«, sagte Gemma, doch bei der Erwähnung von Essen fing ihr Magen merkwürdig an zu knurren. Hastig drückte sie die Hand gegen ihren Bauch, als könnte sie ihn so zum Schweigen bringen.
Sie wusste, wie sich Hunger anfühlte, aber so etwas hatte sie noch nie empfunden. Es war ein fast animalisches Gefühl, das ihren gesamten Körper zu erfüllen schien.
Einmal, als sie Alex geküsst hatte, hatte sie etwas Ähnliches gefühlt, nur noch intensiver. Sie hatten ziemlich heftig herumgemacht, bis sie ihn » versehentlich« gebissen hatte.
Das hatte sie damals abrupt aus diesem seltsamen Hungergefühl gerissen, aber die jetzige Gier in ihr ließ sich nicht abschütteln. Zum Glück war sie viel schwächer, sodass sie nicht in Versuchung kam, Sawyer zu beißen. Doch mit jedem Tag wurde die Wassermelodie lauter und der Hunger stärker.
» Gemma, du weißt genau, wovon ich rede.« Thea sah sie ernst an. » Das, was du isst, kann dich nicht…«
» Ich muss einfach mehr essen«, unterbrach Gemma sie.
Sie wollte nicht hören, was Thea ihr zu essen empfahl. Gemma hatte zwar bereits eine vage Vorstellung davon, aber sie war noch nicht bereit, in konkreten Worten zu hören, was sie tun musste, um als dieses neue Monsterwesen zu überleben.
Thea seufzte laut, widersprach aber nicht. » Mach doch, was du willst.«
» Tu ich auch.« Gemma hob trotzig das Kinn und marschierte an Thea vorbei aus dem Bad.
Thea folgte ihr durch den Flur und die gewundene Marmortreppe hinunter.
» Du brauchst mir nicht den ganzen Tag hinterherzulaufen«, fuhr Gemma sie an. » Ich laufe schon nicht weg. Ich habe gesagt, dass ich tue, was ihr verlangt, und das mache ich auch.«
» Ich laufe dir nicht hinterher.« Thea klang genervt. » Ich gehe schwimmen.« Sie hielt inne und ihr Gesichtsausdruck wurde ein wenig freundlicher. » Du kannst gerne mitkommen.«
Nichts auf der Welt klang verlockender als die Aussicht, eine Runde im Meer zu schwimmen. Ihr war heiß, sie war schweißgebadet und die Wassermelodie rief nach ihr. Doch seit sie am Montag in der Villa angekommen waren, war Gemma nicht im Wasser gewesen. Sie weigerte sich, irgendetwas zu tun, das ihr Spaß machte.
Die Sirenen hatten Menschen getötet, darunter beinahe auch Alex und Harper, und Gemma gehörte jetzt zu ihnen. Sie war ein ebenso monströses Geschöpf wie die drei und weigerte sich deshalb beharrlich, Freude aus diesem Leben zu ziehen. So wollte sie sich selbst dafür bestrafen, dass sie lebte und es zugelassen hatte, eine von ihnen zu werden.
Sie schüttelte den Kopf. » Ich hol mir lieber was zu essen.«
Am Fuß der Treppe blieb Thea stehen, lehnte sich an das Geländer und seufzte. » Du machst alles so viel schwerer, als es sein müsste.«
» Ich gebe mir wirklich Mühe«, antwortete Gemma aufrichtig.
» Würdest du schwimmen und essen, würde es dir viel besser gehen«, sagte Thea. » Ich weiß, das mit dem Essen passt dir nicht, aber nach nur einer Stunde im Meer würdest du dich schon tausendmal wohler fühlen.«
Gemma schüttelte den Kopf. » Geh du ruhig schwimmen. Kümmere dich nicht um mich.«
» Wie du meinst.« Thea warf entnervt die Hände in die Luft. » Mir reicht’s.«
Sie drehte sich um und ging durch den rückwärtigen Teil des Hauses zum Meer. Gemma konnte den Strand und das kristallblaue Wasser durch die Fenster sehen. Sie schluckte schwer und sah rasch weg, bevor sie der Versuchung erlag.
Dann ging sie in die Küche, um nach etwas Essbarem zu suchen, obwohl sie wusste, dass sie auf nichts Appetit haben würde.
Die Küchengeräte bestanden aus Edelstahl und boten einen scharfen
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