Watersong - Wiegenlied: Band 2 (German Edition)
so klein, dass Harper eigentlich jeden, der hier wohnte, vom Sehen kannte.
» Sind Sie Brian Fisher?«, fragte der Mann.
» Der bin ich«, erwiderte Brian vorsichtig.
» Ich bin Dean Stanton, Bernies Anwalt.« Der Fremde streckte die Hand aus und Brian ergriff sie zögerlich.
» Bernie hatte einen Anwalt?«, fragte er überrascht. » Wozu brauchte er denn einen Anwalt?«
» Ich kümmere mich um sein Testament und den Nachlass«, erklärte Mr Stanton. » Und dazu wollte ich gerne mit Ihnen sprechen.«
» Wieso?«, mischte sich Harper in das Gespräch ein.
» Er hat Sie, Mr Fisher, zu seinem Begünstigten erklärt«, sagte Mr Stanton. » Was Lebensversicherungen oder andere finanzielle Anlagen betrifft, hatte er zwar nicht viel. Und das, was er besaß, reicht gerade aus, um die Hypotheken, die noch auf die Insel liegen, zu begleichen. Doch wenigstens bekommen Sie den Besitz so schuldenfrei und ohne weitere Verpflichtungen.«
» Wie bitte?« Brian schüttelte verständnislos den Kopf. » Welchen Besitz?«
» Nun, er hat alles Ihnen hinterlassen«, erklärte der Anwalt. » Die Insel und sämtliche Güter, die sich darauf befinden, inklusive der Hütte, dem Bootshaus und dem Boot.«
» Er hat mir die Insel vererbt?« Brian blickte völlig entgeistert zu Harper. » Das hat er mir nie gesagt.«
» Er hat es aber getan«, sagte Stanton. » Und dazu müssen Sie in meine Kanzlei kommen und ein paar Dokumente unterschreiben. Hier ist meine Karte. Rufen Sie mich an, dann vereinbaren wir einen Termin. Doch jetzt will ich Sie nicht länger bei der Beerdigung stören. Mein Beileid für Ihren Verlust.«
» Danke«, murmelte Brian benommen.
Der Bestatter rollte den Sarg aus der Hintertür, um ihn in den Leichenwagen zu verladen. Brian drehte sich um und sah zu, wie Bernies sterbliche Überreste weggebracht wurden, während der Anwalt davonging.
» Wir müssen los, wenn wir den Trauerzug nicht verpassen wollen«, drängte Harper.
Brian nickte und schob die Visitenkarte des Anwalts in seine Hosentasche.
Auf dem Weg zu Brians Lieferwagen sagte keiner von beiden etwas über Bernies Testament. Sie sprachen überhaupt nicht, während sie dem Leichenauto hinaus zum Friedhof folgten. Außer dem Pfarrer waren sie die Einzigen, die zusahen, wie Bernies Sarg in der Erde versenkt wurde.
Harper war völlig überrascht darüber, dass Bernie ihnen die Insel hinterlassen hatte, und sie vermutete, dass es ihrem Vater ähnlich ging. Andererseits war es auch irgendwie logisch, da er keine Familie in den USA hatte und Brian sein engster Freund gewesen war.
Es bereitete ihr allerdings auch ein schlechtes Gewissen, als sie sich klarmachte, wie selten sie Bernie in der letzten Zeit gesehen hatte. Ehe sie am vergangenen Samstag zu ihm auf die Insel gefahren waren, hatte sie ihn monatelang nicht mehr besucht.
Um nicht zusehen zu müssen, wie Erde auf Bernies Sarg geworfen wurde, drehte sie sich um und ging zum Wagen ihres Vaters zurück. Da erblickte sie Daniel, der ein paar Meter entfernt an einem kahlen Zypressenbaum lehnte.
Harper ging zu ihm, während ihr Vater noch ein paar Minuten am Grab verharrte. Sie war sich nicht sicher, ob Brian Bernie damit die letzte Ehre erweisen oder ob er ihr einen Moment allein mit Daniel verschaffen wollte.
» Was machst du denn hier?«, fragte sie.
» Ich habe in der Zeitung von der Beerdigung gelesen«, erklärte Daniel. » Da dachte ich, ich schau mal vorbei.«
» Du bist nicht ganz passend angezogen.«
Daniel schaute an sich hinab. Er trug ein Flanellhemd mit hochgekrempelten Ärmeln über einem verblassten Led-Zeppelin-T-Shirt und seine Jeans hatte ein Loch am Knie.
» Wenigstens hab ich mir überhaupt was angezogen«, neckte er sie. Harper beschwerte sich öfter darüber, dass er meistens weder Hemd noch T-Shirt trug, wenn sie an seinem Boot vorbeikam.
» Hallo, Daniel«, sagte Brian und trat neben Harper.
» Mein Beileid für Ihren Verlust, Mr Fisher.« Daniel gab ihm die Hand.
Brian schüttelte sie kurz und nickte. » Danke«, sagte er. » Kanntest du Bernie gut?«
» Nicht wirklich«, antwortete Daniel. » Aber ich wusste, dass Harper ihm sehr nahestand. Ich wollte sehen, wie es ihr geht, und Ihnen mein Beileid aussprechen.«
» Das ist wirklich sehr aufmerksam von dir.« Brian musterte ihn, als sei er sich nicht ganz sicher, was er von Daniel halten sollte, und wandte sich dann an Harper. » Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich muss zurück zur Arbeit.«
» Ich kann Ihre Tochter
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