Watersong - Wiegenlied: Band 2 (German Edition)
sich neben sie und spülte das Blut aus ihren verklebten Haaren.
» Ich bin ein Monster«, murmelte Gemma leise.
» Das sind wir alle, Süße«, sagte Thea sehr sanft. Sie nahm einen Becher, um warmes Wasser über Gemmas Haar zu gießen, und fuhr dann vorsichtig mit den Fingern hindurch. Durch die Fahrt im Cabrio war das Blut getrocknet und in ihren Haaren verkrustet.
» Ich weiß gar nicht mehr genau, was passiert ist«, schluchzte Gemma und wischte sich die Tränen weg, die ungebremst aus ihren Augen rannen. » Da ist nur so ein roter Schleier.«
» Die ersten Male erinnerst du dich nicht daran«, erklärte Thea. » Du hast keine richtige Kontrolle über deinen Körper oder die Verwandlung. Und da du eine ganze Weile nicht gegessen hast, warst du vermutlich besonders außer dir.«
» Aber… hab ich wirklich sein Herz gegessen?«
» Das tun wir nun mal«, sagte Thea. » So überleben wir. Wir essen die Herzen von Männern.«
» Das ist so was von widerlich.«
Thea lachte düster. » Das liegt nur an Demeters krankem Sinn für Humor. Sie war wirklich total durchgeknallt, als sie den Fluch ausgesprochen hat.«
» Ich glaube nicht, dass ich das kann.« Gemma zog die Knie noch fester an sich und ihr Magen krampfte sich zusammen. » Ich kann nicht auf diese Weise Menschen töten.«
» Das Gute daran ist, dass du nur vier Mal im Jahr essen musst«, sagte Thea tröstend. » Einmal vor jeder Sonnwende.«
» Was?« Gemma schniefte und sah Thea an. » Ihr esst doch viel öfter als nur vier Mal.«
» Ich nicht«, widersprach Thea. » Nicht wirklich. Ist dir nicht aufgefallen, dass meine Stimme längst nicht so seidig klingt wie die von Penn oder Lexi?«
» Und das kommt daher, weil du nicht so oft isst wie sie?«, fragte Gemma.
» Zum Teil.« Thea nickte. » Einmal habe ich fast ein ganzes Jahr lang nichts gegessen. Es hätte mich fast umgebracht. Deshalb klingt meine Stimme jetzt so heiser. Würde ich häufiger essen, würde das vermutlich irgendwann wieder verschwinden, aber da ich nicht öfter zu essen brauche, tu ich es auch nicht.«
» Du hast ein ganzes Jahr ohne Nahrung durchgehalten?« Erstaunt drehte Gemma sich in zu ihr um. » Geht das auch länger?«
» Nein, Gemma, und es hätte mich fast umgebracht«, wiederholte Thea. » Es war entsetzlich schmerzhaft, körperlich und auch emotional, und irgendwann wäre ich fast durchgedreht. Als ich dann schließlich gegessen habe, war ich so außer mir, dass ich fast alle um mich herum abgeschlachtet hätte. Man muss schon öfter essen.«
» Wenn du so gelitten hast, warum hast du dann nicht gegessen?«, fragte Gemma. » Warum hast du ein ganzes Jahr ohne Nahrung verbracht?«
Thea senkte den Blick. » Das erzähle ich dir ein anderes Mal.« Sie beugte sich vor und zog den Stöpsel aus der Wanne, damit das Wasser ablaufen konnte. » Warum duschst du dich nicht gründlich ab und ich hole dir solange ein Handtuch?«
Nachdem Gemma aus der Dusche gekommen war, musste sie sich gegen ihren Willen eingestehen, dass sie sich absolut großartig fühlte. Emotional war sie zwar ein Wrack, aber körperlich war es ihr nie besser gegangen. Sie hatte noch nie Drogen genommen, stellte sich aber vor, dass es sich ungefähr so anfühlen musste, high zu sein.
Thea kehrte mit einem riesigen Handtuch zurück und wickelte Gemma darin ein.
» Geht es dir besser?«
» Ich glaube schon.« Gemma wollte nicht zugeben, wie gut sie sich fühlte.
Sie legte sich in ihr Bett und zog die Decke hoch. Darunter war es zwar unangenehm warm, aber sie blieb trotzdem so liegen, tief unter den weichen Daunen vergraben. Thea war ihr gefolgt und stand zögernd am Fußende des Betts. Schließlich setzte sie sich.
» Warum bist du so nett zu mir?«, fragte Gemma. » Früher warst du so zickig.«
» Ich bin immer noch zickig«, erwiderte Thea. » Aber das, was du gerade durchmachst, ist schwer genug. Lexi und Penn sind zu dumm und zu egoistisch, um dir zu helfen. Ich finde nur, dass man das nicht alleine durchstehen sollte.«
» Wie lebst du damit?«, fragte Gemma.
» Womit?«
» Mit der Schuld.«
» Du meinst, Menschen zu töten?«, fragte Thea.
» Ja.« Gemma schob die Decke ein wenig zurück, damit sie Thea anschauen konnte. » Ich muss immer daran denken, dass er ein Mensch war und… und dass er das nicht verdient hat.«
» Falls es dich beruhigt– es hat ihm nicht wehgetan«, sagte Thea.
» Wie kannst du das sagen? Ich habe ihm das Herz herausgerissen!«
» Ja, aber du bist eine
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