Watersong - Wiegenlied: Band 2 (German Edition)
zu können. Aber ich arbeite daran.«
» Das Boot muss doch im Winter ziemlich kalt sein«, sagte Brian unvermittelt.
» Ja, das stimmt«, gestand Daniel. » Aber ich komme zurecht.«
» Da bin ich mir sicher.« Brian kratzte sich an der Schläfe und verlagerte sein Gewicht. » Du kennst die Insel, richtig? Hast du nicht letztes Wochenende Harper dabei geholfen, dort aufzuräumen?«
» Meinen Sie Bernies Insel?«, fragte Daniel. » Ja, ich war dort und habe Harper geholfen.«
» Ich kann sie nicht wirklich nutzen«, sagte Brian. » Falls du sie mieten und dort wohnen willst, wäre das in Ordnung für mich. Es wäre zwar nicht umsonst, aber auch nicht besonders teuer.«
» Ehrlich?« Daniel klang überrascht.
» Ja, ehrlich?«, fragte auch Harper.
» Wenn du mit meiner Tochter ausgehen willst, kannst du nicht auf einem Boot wohnen«, versuchte Brian, sich zu erklären. » Wenn du also willst, kannst du dorthin ziehen. Denk drüber nach… triff die Entscheidung in aller Ruhe.«
» Das Abendessen ist fertig«, rief Gemma aus der Küche.
Harper ließ Daniel den Vortritt, sodass sie ihren Dad anlächeln konnte. Danke , sagte sie lautlos, aber er winkte ab und schob sie sanft durch die Wohnzimmertür.
Die Stimmung am Esstisch war zuerst ein wenig angespannt, aber dank Gemmas beinahe unnatürlich guter Laune lockerte sich die Atmosphäre schnell. Bald lachten die vier und unterhielten sich angeregt, und Harper hatte schon seit langer Zeit kein Familienessen mehr erlebt, bei dem sie alle so fröhlich gewesen waren.
SECHSUNDZWANZIG
Zurückhaltung
H arper hatte in letzter Zeit so wenig gearbeitet, dass sie sich für eine Samstagsschicht in der Bibliothek meldete. Das bedeutete allerdings, dass sie Gemma nicht wie sonst samstags zu ihrer Mom nach Briar Ridge fahren konnte. Harper hatte Gemma erzählt, wie der Besuch letzte Woche verlaufen war, also wusste Gemma, dass sie auf jeden Fall fahren musste, weil Nathalie sonst einen Zusammenbruch erleiden würde. Außerdem wollte sie ihre Mom unbedingt sehen.
Nach langer Diskussion gab Brian schließlich nach und erlaubte, dass Alex Gemma fuhr. Ihr Auto war immer noch kaputt, und Brian hielt es für unwahrscheinlich, dass seine Tochter auf die Idee kommen würde, noch einmal auszureißen, wenn jemand sie begleitete.
Normalerweise regte Gemma sich darüber auf, dass Brian Nathalie immer noch mied. Er hatte sie schon seit Jahren nicht mehr besucht und das machte Gemma wahnsinnig. Aber heute war sie einfach nur froh darüber, ein bisschen Zeit allein mit Alex verbringen zu dürfen.
Seit sie nach Capri zurückgekehrt war, hatte sie ihn nur gesehen, wenn Harper ihm erlaubte, sie zu besuchen. Brian achtete streng darauf, dass sie ihren Hausarrest einhielt, und obwohl sie ihn verstand, machte es sie verrückt, Alex nicht sehen zu dürfen.
Auf der Fahrt zu Nathalies betreutem Wohnheim sprachen Alex und Gemma kaum, aber sie war vollauf zufrieden damit, einfach nur seine Hand zu halten und bei ihm zu sein. Manchmal sah er sie lächelnd an und das war genug.
Als sie in die Einfahrt bogen und Alex den Motor ausmachte, kam Nathalie bereits wild mit den Armen fuchtelnd auf sie zugerannt.
» Gemma?«, schrie sie, und Gemma stieg so schnell sie konnte aus dem Wagen.
» Mom? Ist alles okay?«
Sobald Nathalie Gemma sah, blieb sie stehen, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte laut auf. Dann rannte sie zu ihrer Tochter und warf Gemma beinahe um, so stürmisch umarmte sie sie.
» Ich hab dich so vermisst«, sagte Nathalie und drückte Gemma fest an sich. » Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.«
» Es geht mir gut, Mom«, erwiderte Gemma atemlos, weil Nathalie ihr die Luft abdrückte. » Ich habe dich auch vermisst.«
» Nathalie?« Becky, eine Betreuerin, war aus dem Haus gekommen und winkte ihnen zu. » Komm doch mit deinen Gästen wieder rein.«
Endlich ließ Nathalie ihre Tochter los. » Sollen wir reingehen? Sollen wir?«
» Klar.« Gemma nickte. » Das klingt gut, Mom. Erinnerst du dich an Alex?«
» Alex?« Nathalie verzog verwirrt das Gesicht. » Ist das dein Vater?«
» Nein, Mom. Das hier ist Alex.« Gemma zeigte auf ihren Freund, der neben dem Auto stand. Er war mit Gemma ausgestiegen, aber Nathalie hatte sich so auf ihre Tochter konzentriert, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte.
» Nein, den kenne ich nicht.« Nathalie schüttelte den Kopf und schaute ihre Tochter traurig an. » Sollte ich?«
» Aber nein«, sagte Gemma. » Es ist schon sehr
Weitere Kostenlose Bücher