Watersong - Wiegenlied: Band 2 (German Edition)
darüber, wie man den Fluch brechen könnte. Aber da nichts Neues oder Entscheidendes dabei herauskam, bereiteten sie sich darauf vor, gegen die Sirenen zu kämpfen. Harper legte Ohropax in ihre Nachttischschublade, damit die Sirenen sie nicht mit ihrem Lied verzaubern konnten. Außerdem legte sie ein Fleischermesser unter ihr Kopfkissen und unter ihrem Bett deponierte sie einen Baseballschläger. Gemma holte die Schaufel aus dem Schuppen und stellte sie in den Wandschrank in der Diele.
Brian hatte in der Garage eine Menge Werkzeuge, zum Beispiel Sägen und sogar einen Eispickel. Harper überlegte, ob sie die Gerätschaften ins Haus bringen sollte, aber das war ihr dann doch zu martialisch. Wenn nötig, hatte sie auch so jederzeit Zugriff auf diese Waffen, aber sie hoffte, dass es nicht dazu kommen würde. In gewisser Hinsicht erinnerten ihre Vorbereitungen Harper an Kevin allein zu Haus , als wären sie Kinder, die Einbrechern Fallen stellten. Gemma machte brav alles mit, schien aber daran zu zweifeln, dass es etwas nützen würde.
Das Problem war, dass beide nicht wussten, was sie sonst tun sollten. Sie hatten keinen Weg gefunden, um den Fluch zu brechen, also blieb ihnen nur, sich dem Kampf zu stellen. Harper würde alles tun, was nötig war, um sich und ihre Familie zu schützen, und wenn sie die Sirenen dafür töten musste, bitte sehr.
Als sie mit den Vorbereitungen fertig war und möglichst unauffällig überall dort Waffen versteckt hatte, wo Brian nicht nachschauen würde, spürte sie, wie eine seltsam friedvolle Ruhe sich über sie senkte. Sie hatte alles getan, was sie konnte. Jetzt mussten sie nur noch warten.
Als Brian an diesem Abend nach Hause kam, war er erstaunlich guter Laune. Seine Tochter war wieder zu Hause und in Sicherheit. Weil am Sonntag Feiertag war, hatte er den Montag freibekommen und jetzt drei Tage Wochenende vor sich. Und seine gute Stimmung wirkte ansteckend.
Harper machte Spaghetti mit Fleischklößchen zum Abendessen, und Gemma bot an, ihr zu helfen. Brian machte sich im Wohnzimmer ein Bier auf und setzte sich vor den Fernseher, um sich nach der Arbeit ein bisschen zu entspannen. Die Vorbereitung des Abendessens überließ er den Mädchen.
» Harper«, sagte Gemma kichernd und hielt ihrer Schwester zwei unförmige Fleischklößchen vor die Nase. » Was hältst du von meinen Klöten, äh, Klößen?«
» Du bist so albern.« Harper verdrehte die Augen, musste aber grinsen.
Sie standen am Tresen und formten die Fleischklößchen aus dem von Harper gewürzten und vorbereiteten Hackfleisch. Harper hatte das schon tausendmal gemacht, manchmal auch mit Gemmas Hilfe, aber so albern wie heute war ihre Schwester dabei noch nie gewesen.
» Ach, komm schon, Harper«, prustete Gemma unverdrossen. » Das war witzig. Gib’s zu.«
» Nein, ehrlich nicht.« Harper lachte auch, aber nur, weil die Fröhlichkeit ihrer Schwester so ansteckend wirkte. Sie schüttelte den Kopf und nickte in Richtung des Klößchens, das Gemma gerade formte. » Der hat Beulen.«
Gemma brach in Gelächter aus, und als Harper sie stirnrunzelnd ansah, musste sie nur noch mehr lachen.
» Was ist denn bloß in dich gefahren?«, fragte Harper.
» Ich bin einfach froh, zu Hause zu sein, glaube ich.«
Gemma warf ihren Fleischklops nach Harper. Er verfehlte sie knapp und landete mit einem unappetitlichen Klatschen auf dem Boden.
» Hey«, protestierte Harper. » Essen verschwenden ist uncool.«
» Sorry.« Gemma wischte den Fleischfladen mit einem Küchentuch vom Boden auf. » Wann haben wir das letzte Mal eine Essensschlacht gemacht?«
» Keine Ahnung.« Harper drehte sich zu ihrer Schwester um. » Da war ich ungefähr sechs, glaube ich.«
» Siehst du?«, meinte Gemma und lehnte sich neben Harper an den Tresen. » Es ist viel zu lange her.«
» Da bin ich anderer Meinung.« Harper schüttelte den Kopf, lächelte aber. » Es ist Verschwendung und nachher muss ich die Sauerei wegputzen.«
» Ach, Harper!« Gemma warf stöhnend den Kopf in den Nacken. » Stell dir einfach vor, es wäre meine letzte Nacht hier…«
» Das ist sie nicht«, schnitt Harper ihr das Wort ab. Sie schaute Gemma streng an. » Wir finden einen Weg…«
» Nein, Harper. Hör mir zu«, unterbrach Gemma sie ihrerseits. » Ich sage ja nicht, dass heute mein letzter Abend hier ist. Ich habe nur gesagt, was wäre, wenn? Es ist nämlich durchaus möglich, dass uns nicht mehr viele Abende als Familie bleiben, selbst wenn wir einen Weg finden,
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