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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Günther
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hinunter, der im kühlen Dämmer des Gestrüpps vor seinen entblößten Patienten kauert. Wie ein Racheengel, weder auf Ranken und Dornen noch auf Brennnesseln achtend, stürzt Irmas Mutter auf den verdatterten Jungen zu. Mit knöchernem Griff wird der Sünder gepackt, von Béla und Lisa, von Manuela, Xaver und Josef getrennt und unter einem Hagel peinlicher Beschimpfungen den Hang hinaufgezerrt. Im Glanz der untergehenden Sonne zieht eine groteske Prozession Tretroller fahrender, berollschuhter und aufgeregt dahintrippelnder Kobolde die Straße entlang, ein Gefangenentransport, von einer großen, starkknochigen Frau befehligt und von einem herumwirbelnden Irrwisch umkreist. Entgegenkommende Passanten wenden die Köpfe und bleiben mit offenen Mündern stehen. Die Sonne, so bewahrheitet es sich wieder, bringt es an den Tag …
    Am tollsten gebärdet sich Irma. Was, in Dreiteufelsnamen, hat Cornelius ihr eigentlich angetan, wodurch hat er ihren maßlosen Zorn erregt? Hat er sie etwa nicht genug bewundert? Sie gar verschmäht oder abgewiesen? Er weiß wirklich nicht, wie ihm geschieht, Irma ist wie besessen und gibt ihrer Mutter gute Gründe, den harten Griff um den Arm des rüde mitgeschleiften Jungen keinesfalls zu lockern; enthemmt schimpft Irma auf Cornelius ein, weidet sich an seiner Angst und malt sich lustvoll in allen Einzelheiten die ihm nun aller Voraussicht nach bevorstehende Bestrafung aus, während dem Jungen vor lauter Angst und Beklemmung das Herz in der Kehle stecken bleibt.
    Zu guter Letzt wird der verstörte und ob seiner Bloßstellung zutiefst beschämte Cornelius seiner Großmutter übergeben. Lena packt den Jungen sofort am Arm und zieht ihn in die schützende Wohnung hinein, während sie mit steinerner Miene – alle Farbe ist ihr aus dem Gesicht gewichen – die haltlosen Anschuldigungen über sich ergehen lässt. Nachdem sich Lena jegliche Beschimpfung, vor allem eine damit einhergehende Kritik ihrer Erziehungsmethoden verbeten und vor den erbosten Anklägern die Tür zugeschlagen hat, versucht Cornelius, ihr den gesamten Hergang der so unvorhergesehen über ihn hereingebrochenen Katastrophe zu schildern. Die unfassbare Bosheit des gerade Vorgefallenen lässt ihn aber stammeln und immer wieder innehalten. Der Bericht ist wirr und unzusammenhängend, die beständige Beteuerung seiner Unschuld das Einzige, was daraus zu entnehmen ist. Zur Strafe wird Cornelius umgehend ohne Essen ins Bett geschickt. Obwohl Lena geneigt ist, seiner Erzählung Glauben zu schenken, wird sie den Jungen fortan mit Misstrauen beäugen und sogar ein wenig mit kalter Verachtung strafen.
    Seine Großmutter hat eine ungeheure, geradezu abergläubische Angst vor den großen, dunklen Sommergewittern mit ihren wild gezackten, gegabelten und mitunter sich kreuzenden Blitzen, die in rascher Folge das Firmament aufreißen, und vor den nachhallenden Donnerschlägen, die das ganze Haus erschüttern. Sobald ein Unwetter heraufzieht, die Luft knistert und die Straßenbäume anfangen, sich dem Druck starker Windstöße zu beugen, scheucht sie den Jungen weg vom Fenster, hinein in den Flur, wo sie mit Bedacht alle Sicherungen im dort befindlichen Kasten herausdreht. Wenn der Gewitterschlegel besonders heftige Wirbel auf der straff gespannten Himmelshaut schlägt, zündet sie Kerzen an – schlichte weiße Haushaltskerzen, denn von den pechschwarzen, an Lichtmess geweihten Wetterkerzen sind keine mehr zur Hand –, holt den Rosenkranz aus seiner Schachtel hervor und kauert sich mit ihrem Enkel so lange auf den Boden, wie das Unwetter andauert und der harte Regen gegen die Fensterscheiben prasselt. »Ave Maria, Heilige Mutter Gottes, bitt’ für uns«, unaufhörlich gleiten die Bernsteinkugeln der Gebetskette durch ihre Finger. Hin und wieder wispert sie nach einer ohrenbetäubenden Explosion: »Horch, der Himmelvater schimpft!«, wobei sie mit ihrem steifen Zeigefinger unbestimmt nach oben deutet. Schicksalsergeben wartet sie mit dem Jungen ab, bis sich das »Wetter« verzogen hat und nur mehr ein fernes Donnergrollen zu vernehmen ist.
    Nachdem sich die Elemente ausgetobt haben, der Schrecken abgeflaut und die Sache augenscheinlich glimpflich ausgegangen ist, stemmt Lena sich ächzend aus der unbequemen Haltung hoch, lächelt verlegen, stößt die Fenster weit auf und saugt die feuchtkühle Luft tief in ihre Lungen ein. Eine kurze Weile wirkt sie wie ausgewechselt, rein und frisch wie der blanke Himmel nach dem Regensturz. Offenbar hat

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