Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)
wie der legendäre Magnetberg die von ihrer Route abgekommenen, dem Untergang geweihten Seeleute, stellt sich ihm unweit der Marienklause, eine Hand am Geschlecht, mit der anderen Einhalt gebietend, ein lüsterner Faun in den Weg, der ihn mit unlauteren Absichten vom Pfad herunter ins Gestrüpp ziehen will, um ihm an Ort und Stelle eine geheime, schandbare Lust aufzudrängen. Der Junge reißt sich los von der Hand des Päderasten und tritt fester in die Pedale, damit er ohne weitere Anfechtungen nach Hause kommt.
An schulfreien Nachmittagen sammelt Cornelius alte Zeitungen und Illustrierte in der Nachbarschaft, bündelt sie im Keller und schleppt die Packen im Leiterwagen zum Schrotthändler, der auch Papier und Lumpen annimmt. Unwillig verschiebt der vierschrötige Händler die Gewichte an der rostigen Waagstange und zählt dem halbwüchsigen Lieferanten ein paar Münzen in die Hand. Von dem Geld und den paar Groschen, die er sich durch das Zustellen von Illustrierten verdient, kauft sich der Junge am Kiosk neben dem Hochbunker triviale Bildabenteuer in Schwarzweiß, schmale, längliche Hefte, die er aber nicht sammeln und in denen er nur heimlich blättern kann, weil sie allgemein als Schund verpönt sind und ihm diese Art von Lektüre ausdrücklich verboten ist. Die Heftchen versteckt er vorübergehend im Keller unter dem Altpapier und gibt sie dann an Freunde weiter. Die schematisch gezeichneten Helden dieser fortgesetzten Aventiuren sind Nick, der Weltraumfahrer, der ritterliche Held Sigurd mit den treuen Gefährten Bodo und Cassim, Falk, der Ritter ohne Furcht und Tadel, Akim, Tibor und Tarzan, ihres Zeichens Söhne, Helden und Herren des Dschungels.
wie haben eigentlich die wilden im nahen hellabrunner park eingezäunten tiere aus dschungel und steppe den weltuntergang empfunden die fürchterlichen tage und nächte da im luftkrieg das umfeld der bahnlinie samt industriegebiet mit bombenteppichen belegt wurde als feuergarben in den himmel lohten und schwerer brandgeruch wie ein stickiges leichentuch über der vorstadt hing cornelius fragt sich das so manche nacht wenn er noch wach im bett liegt in lichtgrauen farben malt er sich das gewaltige spektakel aus das seinen lauf nimmt sobald all die aufgescheuchten tiere verängstigt aus ihren gehegen und stallungen ausbrechen sich zur wahnwitzigen herde zusammenschließen zu einer monströsen vielgestaltigen schrecklichkeit und wie von einem ratlosen blinden hirten gelenkt in heller panik über die brücke drängen die gegend um die heimgartensiedlung flutend eine woge aus leibern eine unaufhaltsame stampede die sich erst an den bastionen der städtischen brandruinen und schutthaufen bricht
Und wirklich ist auch der Tiergarten bei den Luftangriffen nicht verschont geblieben. Die in mehreren Wellen abgeworfenen schweren Minen, die Zehnzentnerbomben aber auch die leichteren Spreng-, Brand- und Stabbrandbomben haben das Afrikahaus, das Zebuhaus und viele andere Gebäude zerstört und die Gehege verwüstet; die Eisbären beeilten sich, die von Bomben erschütterten Betonplatten ihres Freigeheges zu untergraben, massenhaft liefen die in Panik geratenen Tiere frei herum, etliche wurden getötet, darunter auch alle Känguruhs. Pinguine und Robben verendeten allein wegen des Mangels an Seefischen. Eine afrikanische Elefantenkuh starb an einem Herzschlag, eine indische wurde schwer verletzt. Eine Löwin gelangte ins Freie und wurde erschossen. Wilderer schnappten sich ein Wildschwein …
In den letzten Tagen des Krieges hatte eine indische Elefantenkuh aus dem Tierpark eine tragende Rolle übernommen, aber über das, was sich damals wirklich abgespielt hat, kursieren einander sich widersprechende Berichte. Fest steht, dass SS-Leute die Thalkirchner Brücke sprengen wollten, um den einrückenden alliierten Panzern das Überqueren der Isar zu verwehren. Alarmierte Frauen aus Thalkirchen umringten die Soldaten, als diese an den Widerlagern und Pfeilern der Brücke Zündkapseln anbringen wollten, lenkten sie ab und hinderten sie an ihrem Tun. Dadurch verschafften sie der Polizei Gelegenheit, die Kapseln zu entfernen und in den Fluss zu werfen. Die SS-Männer ließen jedoch nicht locker und karrten daraufhin eine Lastwagenladung Fliegerbomben herbei, die sie auf der Brücke verteilen wollten; doch die Thalkirchner Frauen verhinderten auch diese Aktion, indem sie sich auf den Wagen stürzten und die Bomben gleich von der Ladefläche aus über das Brückengeländer in den Fluss
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