WattenMord (German Edition)
Gequatsche nicht mehr ausgehalten.“
„Du musst mit Dierks reden.“
„Das werd ich tun, versprochen.“ Petersen nickte und pustete in seine Tasse. „Muss ich sowieso, wenn ich nicht bald unter einer Brücke pennen will.“ Dann grinste er und war ein Stück weit wieder ganz der Alte. „Aber ich war nicht untätig in der Zwischenzeit und habe recherchiert.“
Wiebke blickte sich um. „Hier? Auf dem Restaurantschiff?“
„Exakt, Mädchen. Claude weiß eine Menge. Auch über den Dockkoog.“
Claude Bruhn war der Wirt des Restaurantschiffes. Ein wirklich liebenswerter Kerl, der irgendwann mit seiner Frau aus Düsseldorf in den Norden gekommen war. Mit den Einwohnern Nordfrieslands hatte er sich auf Anhieb gut verstanden, und seine offene und ehrliche Art hatte ihm dabei geholfen, im Norden der Republik Fuß zu fassen. Obwohl sich Claude nach wie vor zu seiner rheinischen Heimat bekannte, hatte er längst den Entschluss gefasst, im Norden alt zu werden. So war es für ihn auch selbstverständlich, sich tatkräftig in das Geschehen der Stadt einzumischen. Und Claude war eine nie versiegende Quelle an Informationen. Klatsch und Tratsch in Husum, dachte Wiebke amüsiert.
„So“, nickte sie und rührte in ihrem Tee. „Was weiß Claude denn?“
„Er sitzt im Stadtausschuss und war von Anfang an dabei, als Heiners im Rathaus sein Projekt vorstellte.“ Petersen schob mit angewiderter Miene das halbleere Bierglas fort. Offenbar wunderte er sich jetzt über sich selbst und widmete sich dem Kaffee. „Der damals namenlose Investor bestand darauf, dass Presse und Öffentlichkeit von der Sitzung ausgeschlossen wurden.“
„Und diesem Wunsch hat man entsprochen?“ Wiebke konnte es nicht glauben.
„Scheinbar ja. Heiners wusste um seinen Ruf und war sich darüber im Klaren, dass er auf Protest stoßen würde, wenn er sich von Anfang an als Investor des Ferienressorts am Dockkoog outen würde.“
„Wieso lassen sich die Stadtväter auf so ein Projekt ein, wenn es doch so gegen den Willen der Bürger geht?“
„Heiners versprach ihnen 300 neue Arbeitsplätze zu schaffen, von den zu erwartenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer mal ganz zu schweigen. Der Kasten soll hundertfünfzig Zimmer und hundert Ferienwohnungen bekommen, da kannst du dir vorstellen, dass die Gastronomie schon Dollarzeichen in den Augen hat. Man hat aber mit dem Protest der Bürger gerechnet. So richtig will den Neubau wohl keiner, und schon vor einigen Jahren ist es zu einem Bürgerbegehren gekommen, als man ein ähnliches Projekt plante. Knapp achtzig Prozent der Bürger haben sich damals gegen den Bau einer Hotelanlage am Dockkoog entschieden.“
Wiebke atmete hörbar aus. „Das würde bedeuten, dass diese achtzig Prozent theoretisch zu den Tatverdächtigen gehören?“
Petersen lächelte. „Es ist genau das, was ich befürchtet habe, Wiebke: Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“
FÜNF
Als er den Kopf ins Arbeitszimmer steckte, erhöhte sich ihre Herzfrequenz. „Komm rein“, sagte sie schnell und erhob sich von ihrem Stuhl. Soeben hatte die Mittagspause begonnen, und das Lärmen der Schüler drang aus der Mensa herauf.
Gleich würde sie mehr wissen.
Torben Schäfer glitt in den Raum – bei seiner stabilen Figur ein seltsamer Anblick – und drückte die Tür so leise wie möglich ins Schloss. Doch er konnte nicht verhindern, dass die Milchglasscheibe der Tür leise klirrte. Er strahlte glücklich.
„Gut siehst du aus“, bemerkte er und betrachtete Levke, doch sie ging nicht auf das Kompliment ein. Das Lächeln verschwand aus Torben Schäfers Gesicht, und er wurde sachlich.
„Du wolltest mich sprechen?“
„Ja, Torben.“
Sie nickte, setzte sich auf eine Schreibtischkante und blickte ihm tief in die Augen. „Was passiert hier eigentlich?“
„Wovon redest du?“ Er näherte sich ihr und hielt ihrem Blick stand.
Sie erkannte jetzt jede Pore seiner von Wind und Sonne gegerbten Haut und versuchte sich sein Gesicht ohne den buschigen Vollbart vorzustellen. Womöglich war er ein attraktiver Mann, wenn er sich nur ein wenig modischer kleiden würde und wenn er diesen Bart abrasierte, der ihn Jahrzehnte älter erscheinen ließ, als er in Wirklichkeit war.
„Ich bekomme es mit der Angst zu tun, Torben.“
„Du musst keine Angst haben.“ Er schüttelte langsam den Kopf und legte seine Hände auf ihre Schultern. Sie ließ es geschehen.
„Erst will die Polizei zu dir, und dann sitzt du bei Fedders im Büro. Was ist
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