WattenMord (German Edition)
das neue Hotel?“ Wiebke wusste, dass es keinen Sinn machen würde, mit ihrem Kollegen darüber zu diskutieren, dass es ihr oft half, zum Ort des Geschehens zu fahren. Manchmal war es auch einfach nötig, sich auf diese Art für den Fall zu sensibilisieren und so eine Lösung zu finden. Und auch wenn man Heiners tot im Großaquarium des Multimar gefunden hatte, so ahnte sie, dass es eine Verbindung zwischen Holger Heiners’ Tod und dem Dockkoog gab. Zu sehr hatten sich die Gemüter in den letzten Monaten an Heiners wohl ehrgeizigstem Projekt erhitzt. Was hatte Heiners mit dem Dockkoog verbunden, warum waren ihm die Proteste von Bürgern und Umweltschützern so egal gewesen? Tief hatte Wiebke die würzige Meeresluft in ihre Lungen eingesogen und sich von der Weite, die man dort verspüren konnte, davontragen lassen. Ein fast meditativer Moment, der ihr geholfen hatte, sich für das Thema zu öffnen.
Petersens Stimme riss sie aus den Gedanken. „Es gibt im Internet eine Fotomontage, auf der man sieht, wie es mit dem Ressort aussehen könnte, dazu hätten wir nicht rausfahren müssen.“
„Das ist nicht das Gleiche“, beharrte Wiebke. Die grüne Landschaft schien an ihnen vorbeizufliegen. „Ich will sensibilisiert sein, wenn wir an dem Fall arbeiten, und die Menschen verstehen, die sich entweder für oder gegen das Bauvorhaben einsetzen.“ Nun lachte sie. „So einfach ist das.“
„Ja“, nickte Petersen.
„Du verrenkst dir das Hirn, und dann kommen die Kollegen aus Flensburg, und wir dürfen wieder Fahrraddiebe und Einbrecher jagen.“
Wiebke blickte ihren Kollegen lange an, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Anscheinend verstand Jan Petersen auch so.
„Ich hab ein bisschen Stress, mehr nicht.“ Seine Kieferknochen mahlten, die Hände ruhten schwer auf dem Lenkradkranz.
„Und da kann ich diesen Behördenscheiß nicht ab. Ich bin Bulle geworden, um Verbrecher zu jagen. Meine Eltern haben mir schon früh beigebracht, dass Verbrecher böse sind und anderen Menschen Schlechtes zufügen. Deshalb passt es mir nicht in den Kram, mich bevormunden zu lassen.“
Nun musste Wiebke lächeln. „Dann müssen wir einfach schneller sein als unsere Kollegen von der Mordkommission.“
Petersen nickte mit verbitterter Miene. „Allerdings.“
„Was hältst du von dieser Beke Frahm?“, wechselte Wiebke das Thema. „Ich meine, es ist seltsam, dass sie, kurz nachdem sie den Toten im Becken gefunden hat, aus dem Multimar verschwindet, oder?“
Nun warf Petersen ihr einen schnellen Seitenblick zu. „Ja“, sagte er. „Das ist mir heute Morgen auch schon aufgefallen.“
„Wir sollten nichts ausschließen. Auch wenn sie klein und zierlich ist, wir wissen nicht, ob Holger Heiners schon tot war, als er in das Wasser stürzte. Unter Umständen hat man ihn unter einem fadenscheinigen Vorwand ins Multimar gelockt, um ihn dort zu töten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit einer Leiche auf dem Rücken in den Technikbereich der Ausstellung spaziert und den Toten ins Wasser wirft, um ihn den Besuchern im Forum zu präsentieren.“
„Dazu müsste der Täter erst einmal hineinkommen“, erwiderte Petersen. „Also schließt sich der Kreis, und wir müssen bei allen auf den Busch klopfen, die zum Multimar Zugang haben.“
Sie hatten den Abzweig nach Oldenswort erreicht, und Petersen drosselte das Tempo. Wenig später hatten sie den malerischen Ortskern erreicht. Zum zweiten Mal standen sie an diesem Tag vor der alten Schule. Diesmal lenkte er den Mondeo direkt auf den ehemaligen Schulhof.
„Fahr den Mann nicht über den Haufen“, warnte Wiebke, als sie die gebückte Gestalt neben der Einfahrt kauern sah. Der Alte legte Köder aus. Scheinbar wimmelte es hier vor Ungeziefer.
Petersen ging nicht darauf ein. „Hübsch hässlich haben die es hier“, kommentierte er bissig, als er beim Aussteigen in einen Distelbusch trat. „Hier macht doch keiner mehr etwas sauber.“
„Weil Holger Heiners den Komplex als Baugrund verkaufen wollte“, erwiderte Wiebke. „Er ließ es herunterkommen, damit seine Mieter freiwillig ausziehen.“
„Aber die Rechnung scheint nicht aufzugehen“, knurrte Petersen. „Irgendwas ist faul im Staate Dänemark.“
Wiebke deutete nach oben zu einem der Fenster. Sie erkannte die zierliche Gestalt von Beke Frahm, die am Küchenfenster stand und mit regloser Miene in den Hof herabschaute. „Wir werden bereits erwartet.“
Petersen grinste schief. „Na dann auf in den Kampf, bevor man
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