WattenMord (German Edition)
Wohlfühltemperatur fehlten.
Petersen, der viel zu dünn angezogen war, hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und zog eine Grimasse. „So“, brummte er. „Und was tun wir jetzt hier?“
„Einfach mal durchatmen“, erwiderte Wiebke und schloss die Augen.
„Sag mal, Mädchen, du bist ja noch bekloppter als ich!“ Er trat neben Wiebke und betrachtete ihr Profil. Sie war eigentlich sehr hübsch, die Nase vielleicht ein wenig zu lang, aber ansonsten war sie eine attraktive, junge Frau. Ihre Lippen waren sinnlich, die Wangenknochen nicht zu energisch und nicht zu weich, die Augenbrauen auch ohne Make-up perfekt. Schminke hatte sie eigentlich überhaupt nicht nötig. Trotzdem sah es komisch aus, wie sie einfach dastand, mit geschlossenen Augen, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, das Kinn nach vorn gereckt, und das Spiel des Windes in ihrem dunklen Haar genoss. Petersen hatte den Eindruck, als wäre seine junge Kollegin geistesabwesend.
„Warum?“ Sie lächelte, hatte die Augen immer noch geschlossen und atmete tief durch.
„Mich maulst du an, weil ich mich über das System unserer Polizei beschwere und mich pünktlich zur Pause davonmache, und jetzt stehst du am Dockkoog und genießt in aller Ruhe die Nordsee! Wiebke, wir haben viel Arbeit!“
Nun öffnete sie die Augen, löste sich vom Anblick des Meers und wandte sich zu ihm um. „Ich muss das haben, Jan. Es ist mir wichtig, hier zu sein, um mich in den Fall hineindenken zu können.“ Wiebke lächelte. „Ich brauche den Stallgeruch, wenn du so willst. Das Feeling. Vielleicht kommt mir hier eine gute Idee.“
„Ich fürchte, dafür fehlt uns die Zeit.“ Petersen schüttelte verständnislos den Kopf und blickte auf seine Armbanduhr. „Wir müssen in knapp zwei Stunden in Kiel sein, um pünktlich zur Obduktion von Holger Heiners zu kommen. Und vorher haben wir noch ein paar Dinge zu erledigen.“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf seine Uhr.
Wie zur Bestätigung fühlte er das leichte Vibrieren in der Hosentasche. Sein Handy. Umständlich zog er das Telefon hervor und warf einen Blick auf das Display. „Siehst du – der Chef ruft an. Was sag ich denn jetzt?“
„Die Wahrheit?“
Petersen schnaubte und drückte die grüne Taste. Matthias Dierks sprach ihn zu seiner Erleichterung nicht auf den Zwischenfall im Meeting an. Seine Stimme klang sehr abgeklärt und sachlich.
„Eben hat hier eine junge Frau angerufen. Sie wollte euch sprechen.“ Scheinbar las der Erste Hauptkommissar von einem Zettel ab. „Beke Frahm heißt sie. Und ihr trefft sie in ihrer Wohnung an. Wollt ihr hinfahren, oder soll ich sie nach Husum kommen lassen?“
„Nee, lass man. Wir sind schon unterwegs. Hat sie gesagt, worum es geht?“
„Nein. Allerdings gibt es einen Zeugen, der gesehen hat, dass Beke Frahm heute Morgen recht spät dran war. Sie wurde von einem Mann mit einem dunklen Mercedes zum Multimar gefahren. Der teure Wagen fiel auf, weil solche Autos normalerweise nicht beim Personaleingang anhalten.“
„Gibt es ein Kennzeichen?“
„Leider nein.“ Dierks schnaubte vernehmlich. „Dann fahrt ihr nach Oldenswort und fühlt der Frau mal auf den Zahn – ich kann auch Piet zur Obduktion nach Kiel schicken. Dann ist zwar nur einer von uns dabei, aber das ist zu verantworten.“
„Mach das, Wiebke wird sich freuen.“ Petersen grinste, als er die Verbindung unterbrach und Wiebke berichtete, was Dierks gesagt hatte.
Sie schien wirklich erleichtert zu sein, dass ihr die Obduktion erspart blieb. „Ich bin gespannt, was Beke Frahm noch eingefallen ist“, murmelte Wiebke, als sie den Rückweg zum Auto antraten. „Außerdem habe ich auch noch ein paar Fragen an die Gute – immerhin war der Tote, den sie gefunden hat, ihr Vermieter.“
„Und?“, fragte Petersen, ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden. Er fuhr einen flotten Stiefel, um nach Oldenswort zu kommen, und hoffte, dass in der Baustelle am Abzweig nach Friedrichstadt kein Radarwagen stand. Vorsichtshalber ging er vom Gas, um den Wagen gleich hinter der Baustelle wieder zu beschleunigen. Er machte keinen Hehl daraus, was er von Wiebkes Wunsch, noch einmal zum Badestrand gefahren zu sein, hielt. „Was hat das jetzt gebracht, dass wir noch mal draußen am Dockkoog waren?“
„Ich musste einfach noch mal raus, um mir vorzustellen, wie es dort wird, wenn das Ferienressort steht. Wird der Strand dann überlaufen sein? Oder ändert sich für die Badegäste nicht viel? Wie wird es aussehen,
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