WattenMord (German Edition)
Petersen grinste schief. „Gab es eine Situation, wo er Ihnen oder einem Ihrer Nachbarn gedroht hat?“
„Er bedrohte uns damit, dass er keinen Cent mehr in diese Bruchbude steckte. Im Winter war die Heizung kaputt. Haben Sie eine Ahnung, wie lange wir gefroren haben, bevor er einen Handwerker mit der Instandsetzung beauftragt hat?“ Als sie keine Antwort erhielt, fuhr Beke Frahm fort: „Zweieinhalb Wochen. Der olle Albers hat sich einen Gasofen besorgt, den er zu nah an der Gardine aufgestellt hat. Es gab ein Feuer, und um ein Haar wäre das ganze Haus abgebrannt.“
„Haben Sie Heiners darauf angesprochen?“
„Nein – er hat sich am Telefon immer verleugnen lassen. Hier habe ich ihn auch nur ein einziges Mal gesehen, das muss gewesen sein, kurz nachdem er die alte Schule gekauft hat. Seitdem schickt er immer seine Lakaien vor. Peer hat schon mehrmals versprochen, mir eine Wohnung in Husum zu kaufen. Doch wahrscheinlich hatte er Angst, dass man ihn in meiner Nähe sehen könnte. Schon oft hat er gesagt, dass es typisch für Heiners sei …“
„Moment, die beiden kannten sich?“, fuhr Wiebke dazwischen.
„Ja, und sie hassten sich.“ Beke betrachtete die Polizisten nachdenklich. „Aber bitte fragen Sie mich nicht, warum. Es scheint eine uralte Geschichte zu sein, die mir Peer noch nicht erzählt hat. Und offen gestanden“, nun lächelte sie, „offen gestanden haben wir auch andere Dinge im Kopf, wenn wir zusammen sind.“
„Ist es eine rein sexuelle Beziehung, die Sie mit Peer Hansen führen?“
„Wir schlafen miteinander – ja.“ Beke Frahm errötete und blickte auf die Tischdecke. „Ich bin schon verliebt in ihn und hoffe, dass er ähnlich denkt. Wir genießen jede Minute, die wir miteinander verbringen können.“
Petersen räusperte sich. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Frau Frahm. Aber Sie sind zweiundzwanzig Jahre alt. Ihr Freund hingegen muss doch schon über fünfzig sein.“
„Siebenundvierzig“, antwortete Beke Frahm schnell. „Er ist siebenundvierzig. Und ich mag ältere Männer. Sie sind erfahrener und viel reifer als Männer in meinem Alter.“
Wiebke nickte und dachte plötzlich an ihre Beziehung zu Tiedje, der drei Jahre jünger war als sie. Vielleicht hatte Beke Frahm recht, und sie sollte sich nach einem älteren Mann umsehen. Nach einem reifen Mann, der Verständnis für ihren Job bei der Kripo hatte. Sie gab Petersen ein Zeichen und erhob sich.
„Wie steht Ihr Freund zum Bauvorhaben am Dockkoog?“, fragte sie im Hinausgehen.
„Es ist ihm relativ egal, was am Badestrand passiert, solange sich nicht die Vorgaben für seinen Betrieb verschlechtern.“ Beke Frahm zuckte die Schultern. „Es kann nicht jeder ein Umweltschützer sein.“
„Wohl wahr.“ Wiebke nickte, dann stand sie im Treppenhaus der ehemaligen Schule. Sie ahnte, wohin Petersen als Nächstes wollte.
SECHS
Die Wohnmobile hatten ihn auf den letzten Kilometern genervt, wohl auch, weil sein alter Vectra nicht schnell genug war, um die rollenden Ferienheime auf der Landstraße zügig überholen zu können. Am Ende der Autobahn hatte der Weg an grünen Feldern vorbei nach Husum geführt.
Die „graue Stadt am Meer“, so hatte der Dichter Theodor Storm Husum genannt.
Ihm konnte das egal sein, denn mit einem Poeten verband ihn nichts. Er war bodenständig und lebte im Hier und Jetzt, nicht in den literarischen Ergüssen eines Dichters, der lange schon nicht mehr lebte. Sein Assistent war so nett gewesen, ihm ein paar Dinge über sein Reiseziel im Internet zu recherchieren. Schließlich wollte er nicht völlig unbedarft in Nordfriesland ankommen. Auf der Anfahrt hatte er überlegt, ob er gleich zu ihr nach Hause fahren sollte, den Gedanken jedoch gleich wieder verworfen. Sicherlich arbeitete sie noch. Wahrscheinlich, so dachte er ein wenig stolz, hatte sie nie pünktlich Feierabend. Wenigstens etwas, das sie nach all den Jahren der Trennung noch miteinander verband.
Bevor er sich einen Parkplatz suchte, fuhr er eine Ehrenrunde durch das kleine Städtchen und musste sich eingestehen, dass Husum ein durchaus heimeliges Flair verbreitete – sah man einmal von den quietschbunt gekleideten Touristen ab, die die kleinen Straßen bevölkerten. Ein Schild wies den Weg zum Badestrand. Das klang nach Nordsee, nach Urlaub und nach Freiheit. Spontan setzte er den Blinker und bog rechts von der Hauptstraße ab. Linker Hand lag ein kleines Hafengebiet, das irgendwie nicht zur nordfriesischen Idylle passen
Weitere Kostenlose Bücher