WattenMord (German Edition)
Monat kommt es besonders hart – eine Nachzahlung vom Finanzamt, die Endabrechnung der Mietnebenkosten und meine ganzen Versicherungen …“
„Wenn ich dir irgendwie helfen kann?“
Petersen schüttelte den Kopf. „Nein. Ist doch alles nur Geld. Aber ich weiß nicht, wie ich meine Miete bezahlen soll, und das geht mir schon an die Nieren. Ich habe Angst, rauszufliegen.“
Wiebke empfand Mitleid mit ihm. Petersen war ein feiner Kerl, und sie konnte ihn wirklich gut leiden. „Du solltest mit deinem Vermieter sprechen, vielleicht lässt er sich darauf ein, dass du später bezahlst.“
„Offen gestanden ist es mir unangenehm.“
„Aber es wird wohl nötig sein“, erwiderte Wiebke. Irgendwann hatte sie von ihm erfahren, dass Jan Petersens Mutter früher Tänzerin gewesen war. Allabendlich war sie in der Kneipe des Vaters vor einem fast ausschließlich männlichen Publikum aufgetreten. Und sie hatte immer dafür gesorgt, dass der kleine Jan dann in der Wohnung über der Kneipe saß und sich anders beschäftigte.
Es wäre für sie unverzeihlich gewesen, wenn er ihr beim Strippen zugesehen hätte. Petersen war in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, er kannte Gott und die Welt und hatte sich angeeignet, Gut von Böse unterscheiden zu können. Umso mehr schmerzte es Wiebke, ihn so verschlossen zu erleben. Das Wissen, dass ihm etwas schwer im Magen lag, und die Hilflosigkeit, nicht an ihren Kollegen heranzukommen, machten sie wahnsinnig.
„Ich weiß.“ Er nickte.
„Wenn es nur das Geld wäre …“
„Aber das ist es nicht?“ Sie hatte die Frage wie eine Feststellung ausgesprochen.
Er schüttelte kauend den Kopf. „Nee.“
„Willst du drüber schnacken?“
„Noch nicht.“
„Gib mir einen Tipp, damit ich weiß, aus welcher Richtung du auf mich schießt.“ Sie lächelte ihn an.
„Liebe.“
„Du hast Liebeskummer?“ Damit hatte Wiebke am allerwenigsten gerechnet. Sie waren seit einigen Jahren ein Team und verbrachten einen Großteil des Tages gemeinsam. Sie teilten sich ein Büro, den Dienstwagen und redeten über alles. Mit keiner Silbe hatte Petersen erwähnt, dass es eine neue Frau in seinem Leben gab. Und auch die anderen Indizien waren nicht vorhanden gewesen. Keine Anrufe auf dem privaten Handy, kein „ich muss heute pünktlich raus“ und keine verdeckten Andeutungen.
Petersen blickte sie unverwandt an, doch sie erkannte die tiefe Trauer in seinen braunen Augen.
„Ich werd nicht jünger, Wiebke. Und ich habe verdammt noch mal keine Lust, den Rest meines Lebens allein zu verbringen. Aber es fehlt mir einfach die Zeit, mir eine Frau zu angeln.“ Als ihm seine Formulierung auffiel, musste er schmunzeln.
„Es gibt Partnerbörsen und es gibt das Internet“, schlug Wiebke ihm vor.
Petersen winkte ab. „Bleib mir weg mit so einem anonymen Kram. Anderes Thema: Wie läuft es bei Tiedje und dir?“
Damit hatte Wiebke nicht gerechnet, und die direkte Frage war ihr ein wenig unangenehm. „Es läuft nicht“, erwiderte sie schließlich. „Wir sehen uns ab und zu, aber ein Paar sind wir nicht. Keine Ahnung, ob er gerade in diesem Augenblick fremdgeht. Wenn man überhaupt von Fremdgehen sprechen kann.“ Sie hatte keine Lust, Petersen zu gestehen, dass sie ab und zu eine gemeinsame Nacht mit Tiedje verlebte, wenn ihr nach körperlicher Nähe war.
„Hm.“ Jan Petersen blickte sie mit einem Dackelblick an. „Und du bist nicht in ihn verliebt?“
„Ganz bestimmt nicht.“ Wiebke schüttelte den Kopf.
„Ich meine nur, ihr hattet große Pläne: Deine Strandkneipe, sein Shuttleservice zum Strand.“
Tatsächlich hatte Wiebke immer davon geträumt, in einer kleinen Bar mit Meerblick Gäste zu bewirten, die ihr Tiedje mit einem geländegängigen VW-Bulli an den Strand kutschierte. Doch sie wusste nicht, ob es das war, was sie sich für ihre Zukunft wünschte: In der Gastronomie zu arbeiten und das Geschäft mit ihm gemeinsam führen. Dass alles klang wie eine kindliche Schwärmerei, seitdem sie bei der Kripo in Husum arbeitete.
„Vergiss es“, murmelte sie und kratzte mit dem Plastiklöffel den Rest der Krabbensuppe aus dem Einwegteller. „Das war ein anderes Leben.“ Sie legte den Löffel in den Teller und tupfte sich die Lippen mit einer Papierserviette ab.
Petersen blickte sie an und nickte. „Bist im Leben angekommen, was?“
Nun musste Wiebke lachen. „Noch lange nicht, Jan.“ Ihr Blick glitt an Petersen vorbei zum Hafenbecken. Dort stand ein Mann von fast zwei Metern
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