WattenMord (German Edition)
erkennen, dass es sich bei dem Haus um eine ehemalige Schule handelte.
An der Rezeption zückte Wiebke die Dienstmarke. Der Angestellten, einer jungen Frau mit kurzen, schwarzen Haaren, schoss vor Aufregung das Blut in den Kopf.
„Wir ermitteln in einem Tötungsdelikt und wüssten gern von Ihnen, ob ein gewisser Jörn Holst hier die letzte Nacht verbracht hat“, trug sie ihr Anliegen vor, während sich Petersen mit anerkennend hochgezogenen Mundwinkeln im Empfangsbereich des Hotels umblickte.
Die junge Empfangsdame, Wiebke schätzte das Mädchen auf Anfang zwanzig, nickte eifrig. „Gern“, sagte sie. „Ich werde nachschauen.“ Sichtlich nervös machte sie sich an einem Computer zu schaffen und rief die Kundendatei auf. „Ein Herr Jörn Holst hat tatsächlich ein Doppelzimmer für eine Nacht gebucht“, nickte sie dann.
„Hat er es nur gebucht, oder hat er auch hier übernachtet?“, fragte Petersen aus dem Hintergrund.
„Das kann ich leider nicht erkennen, Entschuldigung. Die Hotelleitung legt Wert auf größte Diskretion; wir kontrollieren nicht, ob gebuchte und bezahlte Zimmer auch tatsächlich bewohnt werden.“
Wiebke überlegte, ob sie die Bänder der Videoüberwachung beschlagnahmen sollte. Inzwischen verfügte jedes Hotel der gehobenen Preisklasse über eine Überwachungsanlage. Die Sichtung des Materials wäre allerdings recht zeitaufwendig. „Wer hatte gestern Dienst hier an der Rezeption?“
„Ich.“
„Das trifft sich hervorragend“, freute sich Wiebke. „Vielleicht können Sie sich an Herrn Holst erinnern?“ Sie beschrieb den Bauunternehmer so präzise wie möglich.
„Ich glaube, er war hier“, nickte die Hotelangestellte, nachdem sie einen Augenblick überlegt hatte.
„Allein?“, fragte Petersen.
Das Mädchen am Empfang dachte kurz nach. „Ich bin mir nicht sicher“, sagte sie schließlich. „Ein Mann, auf den Ihre Beschreibung passt“, sie blickte Wiebke an, „war hier. Und ich glaube, ihn in Begleitung einer blonden, ausnehmend hübschen Frau gesehen zu haben.“
„Danke.“ Wiebke hatte alles erfahren, was sie wissen wollte. Sie nickte Petersen zu, bedankte sich bei der Hotelangestellten und verließ an der Seite ihres Kollegen das Hotel. „Und nu?“
„Auf nach Simonsberg, zu dieser Karin Vogt alias Chantal.“ Er drückte den Knopf der Fernbedienung, die Zentralverriegelung des Mondeo schnappte auf, und sie stiegen ein.
„Bist du sicher, dass wir die anderen Verdächtigen nicht aus den Augen verlieren?“, wagte Wiebke einen Einspruch. „Torben Schäfer, beispielsweise. Er hätte Grund genug, Holger Heiners aus dem Weg zu räumen. Oder die frischgebackene Witwe. Könnte sie Interesse daran gehabt haben, ihren Mann zu töten?“
„Mädchen, denk nach: Er ist schon mal auffällig geworden, weil er sich mit Holger Heiners geprügelt hat. Das Alibi, das er uns genannt hat, weist so viele Löcher auf wie einer meiner Socken.“
„Dann hoff ich doch keines, oder kannst du gut stopfen.“ Wiebke lachte kurz laut auf und beruhigte sich sofort wieder. „Die Auskunft aus dem Hotel muss nichts heißen – die Empfangsdame hat nur gesagt, dass sie es nicht genau wüsste, ob Holst dort auch tatsächlich genächtigt hat, aber immerhin erinnert sie sich an einen Mann, auf den die Beschreibung passt“, erinnerte Wiebke ihn.
„Dann werden wir das mit unserem zweiten Joker absichern“, konterte Petersen. „Das Callgirl wird uns sagen, zu welcher Zeit sie mit Jörn Holst zusammen war.“
Wiebke atmete hörbar aus. Obwohl sie hoffte, dass der Fall gelöst war, behielt sie dennoch die anderen möglichen Täter im Hinterkopf. Doch sie wollte ihren Partner nicht ausbremsen und schwieg. Wahrscheinlich war er stolz darauf, den Mord ohne die Hilfe der Kollegen aus Flensburg aufgeklärt zu haben.
„Piet hat Fingerabdrücke von Jörn Holst im Technikraum des Multimar gefunden, und als Handwerker wusste Holst, wie er nach Ladenschluss in das Gebäude kommt.“ Nachdem er die Eisenbahnunterführung passiert hatte, hielt er sich rechts. Auf der Simonsberger Straße ließ der Verkehr nach. Während rechts das Gewerbegebiet am Hafen lag, erhoben sich linker Hand schon wenig später die mächtigen Anlagen des Husumer Windparks majestätisch aus der Südermarsch. Die riesigen Anlagen drehten sich träge. An der Finkhaushallig hatten sie den Ortsausgang von Husum erreicht, und Petersen beschleunigte den Wagen. „Die Luft wird dünn für Holst. Er hat ein wurmstichiges Alibi und
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