WattenMord (German Edition)
Film.
Husum, Adolf-Brütt-Straße, 15.55 Uhr
Nachdem sie Jörn Holst in der Polizeidirektion abgeliefert hatten, setzten sich Wiebke und Petersen wieder ins Auto und suchten die Begleitagentur auf, bei der Holst angeblich Kunde war.
Die Agentur befand sich in einem unauffälligen Bürogebäude an der Adolf-Brütt-Straße. Nur ein kleines Schild mit der Aufschrift „HES – Ihr Service für gewisse Stunden“ verriet, dass sich hier das Büro des Husumer Escort Service befand. Über der Tafel mit der Klingel entdeckten sie eine kleine Kamera, mit der Besucher begutachtet werden konnten, bevor sie ins Haus gelassen wurden. Wiebke drückte den Klingelknopf und wartete. Als man sie über eine Gegensprechanlage nach ihren Wünschen fragte, hielt sie kommentarlos ihren Dienstausweis vor die Kameralinse. Es dauerte keine Sekunde, bis der Türsummer ertönte und ihnen Einlass in ein kühles Treppenhaus gewährte.
Petersen grinste. „Sesam öffne dich.“
„Wie gehen wir vor?“
„Wie die Profis.“ Nun lachte er. „Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit. Du machst das schon.“
„Na, schönen Dank auch.“
„Da nich‘ für.“
Prompt fing er sich einen freundschaftlichen Seitenhieb von Wiebke ein.
Im ersten Stock war eine Tür nur angelehnt, und Wiebke klopfte, bevor sie eintrat. Als von drinnen ein etwas zögerliches „Herein“ ertönte, stieß sie die Tür auf und betrat den Empfang. Ein Tresen, darauf eine exotische Pflanze, grauer Teppich und helles Mobiliar ließen eher auf ein Versicherungsbüro oder auf einen Immobilienmakler, nicht aber an die Verwaltung eines Escort-Service denken.
Eine etwa vierzigjährige, schlanke Frau stand hinter dem Tresen und lächelte. Eine feine Parfümwolke umgab sie. Den Ausschnitt der Bluse fand Wiebke ein wenig gewagt, doch die Frau konnte es sich leisten, denn ihr Dekolleté war atemberaubend. Das lange, dunkle Haar trug sie offen.
„Was kann ich für Sie tun?“
„Wer bucht bei Ihnen die Damen?“, kam Wiebke ohne Umschweife auf den Grund ihres Besuches.
„Ich. Mein Name ist Thordis Wimmer, ich bin die Geschäftsführerin des HES.“ Sie strahlte Selbstbewusstsein, aber keine Arroganz aus.
„Es geht um einen Ihrer Kunden.“
„Klienten“, wurde Wiebke ein wenig pikiert verbessert.
„Wie dem auch sei. Sagt Ihnen der Name Jörn Holst etwas?“
„Möglich.“
„Er behauptet, gestern eines Ihrer Mädchen gebucht zu haben.“
„Auch das ist möglich.“
Wiebke hasste es, wenn Menschen um den heißen Brei redeten. „Hören Sie, wir haben keine Lust auf ein Frage-Antwort-Spiel. Wir ermitteln in einem Todesfall und sind auf sachdienliche Hinweise dringend angewiesen, also legen Sie die Karten auf den Tisch, Frau Wimmer.“
Wiebkes klare Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Thordis Wimmer senkte den Blick und präsentierte ihre kunstvoll getuschten Augenlider. „Normalerweise ist die Diskretion in unserem Geschäft das A und O“, versuchte sie ihr Verhalten zu erklären. „Wir sind eine exklusive Begleitagentur, die Damen haben Stil und sind intelligent, und wir haben uns ein gewisses Ansehen erarbeitet und möchten das Niveau gern halten. Zahlreiche einflussreiche Politiker, Geschäftsleute und Künstler zählen zu unseren Klienten, da halten wir mit Namen hinter dem Berg.“
„Das tun wir auch“, versprach Petersen und schenkte der Frau ein nachsichtiges Lächeln. „Wenn Sie jetzt so gut wären und Ihre Unterlagen durchschauen? Sonst müssten wir Ihre Computer beschlagnahmen und uns die erforderlichen Unterlagen selbst suchen.“
„Um Gottes willen, dann bin ich geschäftsunfähig.“ Thordis Wimmer schlug theatralisch die Hände vors Gesicht, dann huschten ihre lackierten Fingernägel über die Tastatur ihres Rechners. „Jörn Holst war zum ersten Mal bei uns“, sagte sie dann.
„Also hat er tatsächlich ein Mädchen gemietet?“ Petersen grinste.
„Er hat eine unserer Damen gebucht“, korrigierte ihn Brigitte Wimmer empört. „Ja“, fügte sie dann an Wiebke gewandt hinzu. „Das Datum stimmt. Es gibt eine Buchung.“
„Wie heißt das Mädchen?“ Wiebke stützte sich auf dem Empfangstresen ab und versuchte, etwas von den Einträgen in der Datenbank zu erkennen.
„Chantal.“
„Ich bitte Sie“, erwiderte Wiebke zweifelnd. „Wir wollen nicht ihren Künstlernamen wissen.“
„Bürgerlich heißt sie Karin Vogt und wohnt in Simonsberg. Die Adresse kann ich Ihnen aufschreiben.“
„Was mich interessieren
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