WattenMord (German Edition)
ein. Er bemerkte es sofort und überließ ihr das Reden.
„Aber mit Jörn Holst war es das erste Treffen?“, fragte sie.
„Ja. Er hat mich über die Agentur gebucht. Dort bin ich in einem Online-Portal registriert, und die Klienten haben die Qual der Wahl. Normalerweise arbeite ich in Kiel, Hamburg oder Flensburg. Husum ist nicht so der typische Ort für mein Gewerbe. Wenn allerdings Messe in Husum ist …“
„Bitte nennen Sie uns doch den Zeitraum, den sie mit Jörn Holst verbracht haben“, bat Wiebke ein wenig ungeduldig.
Karin Vogt dachte kurz nach. „Achtzehn Uhr“, sagte sie dann. „Wir haben uns um achtzehn Uhr im Restaurant des Hotels an der Süderstraße getroffen.“
„Sie haben also gemeinsam gegessen?“, hakte Wiebke nach.
„Ja. Und, um es mal so auszudrücken, Holst war nicht der typische Gentleman.“
Das konnte sich Wiebke bildhaft vorstellen. Dennoch fragte sie nach. „Inwiefern?“
„Nun, er scheint aus einfachen Verhältnissen zu kommen, fragen Sie mich nicht, wie er sich eine Hostess leisten kann. Aber das interessiert mich auch nicht, ich arbeite äußert professionell und diskret. In meinem Beruf stellt man keine Fragen, verstehen Sie?“
Und ob Wiebke verstand. „Heißt das, dass Sie nur mit ihm zum Essen verabredet waren?“
„Hat er etwas angestellt?“, fragte Karin Vogt unvermittelt, fast so, als würde ihr die Tragweite des Gespräches mit den beiden Polizisten erst jetzt bewusst werden.
„Das wissen wir nicht“, antwortete Wiebke schnell, bevor Petersen es tun konnte. „Deshalb erhoffen wir uns durch Ihre Hilfe einen Hinweis.“
„Was ist nach dem Essen passiert?“ Petersen erhob sich vom Sofa und trat an das Fenster. Er ließ den Blick über die weite Landschaft hinter dem Haus gleiten.
„Wir sind auf das Zimmer gegangen. Er hatte im Hotel gebucht.“
„Wie lange waren Sie mit ihm auf dem Zimmer?“
„Nicht lange.“
Petersen fuhr herum und warf Wiebke einen vielsagenden Blick zu.
„Er hatte mich nicht für die ganze Nacht gebucht, das war ihm wohl zu teuer.“ Karin Vogt lächelte nachsichtig. „Die ganze Nacht kostet knapp tausend Euro.“ Als sie Petersens entsetztes Gesicht sah, fuhr die Frau fort: „Dafür bekommt der Klient aber auch viel geboten. Nun, Jörn Holst hat mich für zwei Stunden gebucht; er schien es eilig zu haben.“
„Demnach haben Sie das Hotel um zwanzig Uhr wieder verlassen“, stellte Wiebke sachlich fest.
„Es war zehn Minuten nach acht, um genau zu sein.“
„Hat Holst mit Ihnen gesprochen, hat er Ihnen erzählt, was er mit der angefangenen Nacht vorhatte?“ Petersen blickte wieder aus dem Fenster und beobachtete eine Möwe am Himmel.
„Wir haben nicht darüber gesprochen – wie gesagt, er schien es sehr eilig zu haben. Wir sind aufs Zimmer, er hat die bezahlte Leistung von mir erhalten, danach bin ich verschwunden.“ Nun lächelte sie. „Da war nicht viel Zeit zum Sprechen.“
„Sie haben das Hotel allein verlassen?“
„Ja, er ist dort geblieben.“
„Danke.“ Wiebke erhob sich.
Petersen riss sich vom Anblick aus dem Fenster los. „Eine letzte Frage, Frau Vogt: Hat Jörn Holst Sie in bar bezahlt?“
„Nein, das mache ich grundsätzlich nicht – die Honorierung erfolgt grundsätzlich über die Begleitagentur.“ Karin Vogt brachte ihre Besucher zur Haustür.
Dort angekommen, reichte Wiebke ihr noch eine Visitenkarte. „Hier“, sagte sie. „Sollte Ihnen zu Jörn Holst noch etwas einfallen, rufen Sie mich an.“
„Versprochen.“ Karin Vogt blickte ihnen nach, bis Wiebke und Petersen in den Wagen eingestiegen waren. Dann erst schloss sie die Haustür.
„Jetzt haben wir ihn!“ Petersen freute sich diebisch, als er den Motor startete. „Er hat die Frau nicht die ganze Nacht gebucht, so wie er es uns weismachen wollte. Und mit Karin Vogt als Zeugin muss er sich eine verdammt gute Ausrede einfallen lassen – sonst wandert er in den Knast.“
Wiebke nickte zustimmend. Dennoch freute sie sich nicht darüber, dass der Fall für ihren Partner geklärt war. Für ihren Geschmack waren noch zu viele Fragen unbeantwortet.
Husum, 17.30 Uhr
Als Wiebke den Weg nach Ostenfeld antrat, drang die Sonne durch die Wolken und tauchte die Landschaft in ein anheimelndes Licht. Der Tag hatte windstill begonnen, und es hatte zunächst den Anschein erweckt, als hätte man die dichten Wolken über Nordfriesland festgeklebt. Erst am späten Nachmittag hatte die Sonne den Himmel über dem Land zwischen den Meeren
Weitere Kostenlose Bücher