WattenMord (German Edition)
ein sehr gutes Motiv für den Mord an Holger Heiners: Rache.“
„Auch wenn er als Dienstleister für das Multimar tätig war, muss das nicht bedeuten, dass er über einen Schlüssel verfügt. Und irgendwie muss er ja reingekommen sein in das Gebäude.“
„Das werden wir herausfinden“, entgegnete Petersen, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen.
Manchmal konnte Petersen schrecklich stur sein, dachte sie, erwiderte aber nichts darauf.
Simonsberg, 16.45 Uhr
Das Haus lag in einer ruhigen Seitenstraße. Simonsberg, der Badestrand Lundenbergsand und die Finkhaushallig hatten ihr heutiges Erscheinungsbild im Laufe der Jahrhunderte durch zahlreiche Sturmfluten erhalten, und kaum jemand der Gäste wusste, dass die Dorfstraße einst als Deich genutzt worden war. So war der kleine Ort, der von zahlreichen reetgedeckten Häusern und grünen Deichen geprägt war, ein idyllisches Kleinod vor den Toren der grauen Stadt am Meer .
„Schön wohnt sie“, kommentierte Wiebke, während sie den Blick über das kleine Reetdachhaus schweifen ließ, das sich hinter einen Deich zu ducken schien. Im wilden Vorgarten wurden sie von einer bunten Blütenpracht empfangen. In einem Beet reckten sich mannshohe Sonnenblumen in den inzwischen fast wolkenfreien Himmel. Eine Hummel taumelte summend von Blüte zu Blüte.
„Kein Wunder – in dem Job soll man ja recht anständig verdienen“, murmelte Petersen, während er das kleine Holztor öffnete und den Vorgarten betrat. „Ich leg die Hand dafür ins Feuer, dass niemand der Nachbarn ahnt, welchem Beruf sie nachgeht“, fügte er leiser hinzu.
„Mag sein.“ Wiebke fand im Grunde nichts Verwerfliches an Karin Vogts Beruf – immerhin sorgten Frauen wie sie mit käuflicher Liebe dafür, dass es weniger Vergewaltigungsopfer gab.
Petersen betätigte die Türglocke, die rechts neben der grün-weiß gestrichenen Haustür angebracht war. Über der Haustür gab es eine Dachgaube mit einem darin eingelassenen Fenster. Es dauerte nicht lange, bis sich hinter den Butzenscheiben in der Tür etwas tat.
„Ja bitte?“ Die Frau, die ihnen die Tür öffnete, war Anfang dreißig, hatte in etwa Wiebkes Größe und war blond. Das passte schon mal zu der Beschreibung der Hotelangestellten. Und hübsch war sie auch, so, wie die Empfangsdame sie beschrieben hatte.
„Moin“, sagte Wiebkes Partner freundlich. „Frau Karin Vogt?“
„Ja … Aber …“
„Mein Name ist Hauptkommissar Jan Petersen von der Kripo in Husum, und das“, er deutete mit dem Daumen auf Wiebke, „ist meine Kollegen, Kommissarin Wiebke Ulbricht.“ Er zeigte den Dienstausweis; die Frau warf einen flüchtigen Blick darauf und bat die Besucher ins Haus. Auch drinnen strahlte das kleine Reetdachhaus eine urige Gemütlichkeit aus. Wiebke und Petersen wurden in die Stube geführt. Das warme Licht der Nachmittagssonne drang durch die beiden Fenster in den Raum. Es gab eine halbhohe Schrankwand, die Sitzecke mit einem niedrigen Tisch und einen Bollerjahn, der an kalten Herbst- und Wintertagen für eine heimelige Gemütlichkeit sorgte. Sie sanken auf ein blaues Sofa. Von einem der beiden über Eck angeordneten Fenster aus konnte man bis zum Lundenbergsand blicken.
„Ein toller Ausblick“, kommentierte Wiebke.
„Danke.“ Ihre Gastgeberin sank auf den Sessel und schlug die Beine übereinander. „Was kann ich für Sie tun?“ Sie beugte sich vor. „Habe ich etwas ausgefressen?“
„Das werden wir bestimmt herausfinden“, grinste Petersen, und unwillkürlich fragte sich Wiebke, warum ihr Partner bei Frauen immer so freundlich war, während er Männer augenblicklich nicht gerade mit Samthandschuhen anfasste. „Es geht um einen Ihrer Kunden … Klienten“, verbesserte er sich schnell, als er registrierte, dass sich bei Karin Vogt Widerstand regte.
„Sie wissen es also.“
„Was wissen wir?“, mischte sich Wiebke jetzt ein.
„Womit ich mein Geld verdiene.“
„Natürlich.“ Wiebke lachte freundlich. „Das liegt an unserem Beruf.“
„Gut. Also – wie kann ich Ihnen helfen?“
„Sie hatten gestern Abend eine Verabredung mit Jörn Holst aus Husum.“
„Stimmt. Er ist neu in meiner Kartei.“
„Moment – Sie führen eine Kartei?“
„Kartei ist zu viel gesagt“, relativierte Karin Vogt schnell. „Aber es ist schon so, dass ich über zahlreiche Stammkunden verfüge, wenn ich das so sagen darf.“
„Qualität spricht sich wohl herum“, grinste Petersen und fing sich von Wiebke einen bösen Blick
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