WattenMord (German Edition)
Unternehmens. Vielleicht hatte sie einen Geliebten, und ihr Mann war ihr im Weg. Oder er hatte eine andere Frau, und sie hat sich an ihm gerächt. So was darf man nicht außer Acht lassen. Ich denke, sie wäre eine potenzielle Verdächtige.“
Wiebke stimmte ihm zu, hatte ihr Vater doch das ausgesprochen, was sie seit dem frühen Abend schon bewegte.
„Ich hatte Gabriele Heiners auch oben auf meiner Liste. Aber das übernehmen die Kollegen aus Flensburg, wo Heiners’ Firma ihre Büros hat.
Er wohnte einen Katzensprung von Flensburg entfernt, in Glücksburg an der Ostsee. Aber auch da haben die Flensburger die Hand drauf. Wir sind raus, wenn man so will.“
„Das ist doch unmöglich!“, schimpfte Ulbricht. Als Erster Kriminalhauptkommissar war er in Wuppertal derjenige, der in einem Mordfall die Fäden in der Hand hielt und delegierte. Dass man ihm ins Handwerk pfuschte, kam nicht vor. Als Leiter des Kriminalkommissariats Eins war er für drei Städte im Bergischen Land und deren umliegende Ortschaften zuständig.
„Hier im Norden ticken die Uhren etwas anders. Die Entfernungen sind größer, und alles, was mit Flensburg in Zusammenhang steht, liegt nicht in unserem Bereich. So einfach ist das. Und wenn ich mich über die Bestimmungen hinwegsetze, riskiere ich großen Ärger.“
„Ich werde dir helfen.“ Ulbrichts Stimme klang bestimmt.
„Wie willst du das tun?“
„Ich werde …“ Er wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
Wiebke murmelte eine Entschuldigung und eilte in die Diele. Hier steckte das Telefon in der Basis. Mit einem Blick auf das Display stellte sie fest, dass der Anruf von Petersen kam.
„Es lässt mir keine Ruhe“, platzte es aus ihm heraus.
Wiebke hörte, dass er getrunken hatte. Das tat Petersen öfter, wenn ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fiel und seine Gedanken sich im Kreis drehten. Doch er war volljährig und würde sich von Wiebke bestimmt keine Vorschriften machen lassen.
„Was lässt dir keine Ruhe?“, fragte sie geduldig und warf ihrem Vater einen vielsagenden Blick zu.
„Wir haben unseren Mörder, und ich glaube trotzdem nicht, dass er es wirklich war.“
„Das sind ja ganz neue Töne“, erwiderte Wiebke verwundert. „Heute Abend warst du noch stolz darauf, den Mörder von Holger Heiners festgenommen zu haben, bevor uns die Flensburger in die Quere kommen.“
„Hast ja recht“, stimmte Petersen kleinlaut zu. „Aber es ist doch so: Jörn Holst ist ein Arschloch, eine arrogante Sau. Er hat ein Mordmotiv, wir haben seine Fingerabdrücke und er hat ein fadenscheiniges Alibi. Da bröckelt es für ihn. Aber trotzdem stellt sich mir eine Frage, die mir den ganzen Abend nicht aus dem Kopf gehen will: Holst ist, obwohl ich ihn nicht leiden kann, ein gewiefter Geschäftsmann. Er ist ein Drecksack, aber er ist nicht blöd. Als Unternehmer wird er eins und eins zusammenzählen können. Also kann er sich denken, dass wir sein Alibi überprüfen werden.“
Wiebke hörte, wie er aus einer Flasche trank. Deutlich drangen die Schluckgeräusche an ihr Ohr.
Danach sprach er weiter. „Also frage ich dich: Warum tischt er uns diese Geschichte auf?“
„Du meinst, er verschweigt uns was?“
„Allerdings. Und zwar nicht den Mord an seinem Erzfeind Heiners. Er hat ein Geheimnis, denn sonst würde er nicht freiwillig in den Bau gehen, Mädchen.“
„Was wollen wir tun?“
„Ich werd jetzt zur Poggenburgstraße fahren und mit Holst reden.“
„Du hast getrunken, Jan.“
„Ich fahr vorsichtig – mit dem Fahrrad.“
„Du glaubst nicht ernsthaft, dass Jörn Holst einem angetrunkenen Hauptkommissar sein Herz ausschüttet.“
„Dann komm her, hol mich ab, und wir besuchen ihn zusammen.“
„Ist nicht gut. Ich habe Besuch, Jan.“
„Ach so.“ Er klang pikiert. „Da will ich nicht stören.“
„Red kein Blech, Petersen. Also, worauf willst du hinaus?“
„Nichts für ungut, Wiebke. Ich werd mir noch ein Bier gönnen und dann ins Bett gehen. Wir reden morgen weiter.“
Bevor Wiebke antworten konnte, hatte Petersen aufgelegt. Am liebsten hätte sie sich ins Auto gesetzt und wäre zu ihm gefahren, um ihm den Kopf zu waschen. Es lag auf der Hand, dass ihn private Sorgen plagten, doch Wiebke war mehr als Petersens Kollegin – sie verband etwas miteinander, und wenn sie wusste, dass er einsam in seinem kleinen Traufenhaus hockte und seinen Frust im Alkohol ertränkte, empfand sie Verantwortung und Mitleid für ihn.
Ihr Vater musterte sie fragend.
Weitere Kostenlose Bücher