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WattenMord (German Edition)

WattenMord (German Edition)

Titel: WattenMord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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„Probleme?“
    „Mein Kollege läuft manchmal nicht ganz rund.“ Wiebke lächelte matt und starrte auf das Telefon in ihrer Hand. Sie murmelte eine Entschuldigung und wählte Petersens Nummer.
    Es dauerte nur ein Freizeichen, bis er sich meldete. „Was ist denn noch?“ Er klang unwirsch, fast so, als hätte sie ihn bei einer unglaublich wichtigen Tätigkeit gestört.
    „Ich setze mich ins Auto und komme nach Husum. Dann quatschen wir.“
    „Nein, es ist in Ordnung, Mädchen. Bleib mal, wo du bist. Immerhin bist du nicht allein, und da will ich nicht stören.“
    Bevor Wiebke etwas erwidern konnte, hatte Petersen zum zweiten Mal die Verbindung unterbrochen. Manchmal war ihr Partner zickig wie eine Diva, dachte sie enttäuscht und steckte das schnurlose Gerät zurück in die Ladestation. Über sein Verhalten war das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch nun musste sie sich erst einmal um ihren Vater kümmern, den sie viel zu lange entbehrt hatte.

ACHT
    Ihr war, als hätte man die Sterne an langen Fäden aufgehängt, die nun vom Nachthimmel auf das Land herabhingen. Fast, so dachte sie, konnte sie nach den leuchtenden Punkten greifen. Wie hell die Sterne doch hier auf dem Land strahlen, dachte sie sehnsüchtig und blickte zum Nachthimmel über Treia hinauf. Es war eine laue Nacht, und sie hatten reichlich getrunken. Es war ihr völlig egal, ob sie am Morgen imstande sein würde, zur Schule zu fahren. In diesen Tagen herrschte Ausnahmezustand für Levke Kühn, und das Leben der jungen Frau fuhr Achterbahn. Ihr Hass auf Holger Heiners hatte sich in Luft aufgelöst und war dem Gefühl, dass man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, gewichen. Gleichzeitig plagten sie Gewissensbisse und Panikattacken.
    Der Alkohol hatte sie wehmütig werden lassen. In ihr war eine unendliche Leere entstanden, und sie fragte sich, wie viel Schuld sie an dieser Leere selbst zu tragen hatte. Es war ihr Traum gewesen, an der Seite von Holger Heiners alt zu werden. Sie war fest entschlossen gewesen, die Ehefrau aus dem Leben des Immobilienkaufmanns zu verdrängen. Viele Opfer hatte sie dafür auf sich genommen, und dennoch hatte ihr ehrgeiziger Einsatz nicht genügt. Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen hatte er ihr gesagt, dass er sich niemals von Gabriele trennen würde, komme, was wolle.
    Levke hatte sich gefühlt, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. Sie hatte sich gefragt, ob sie wirklich alles Mögliche unternommen hatte, um sein Herz endgültig zu gewinnen. Es war zu einem heftigen Streit am Dockkoog gekommen. Sie waren durch das Watt gewandert und hatten über ihre Zukunft geredet. Dabei hatte sich herauskristallisiert, dass Holger eine ganz andere Vorstellung von seinem Leben hatte als Levke. Sie hatte ihn angeschrien und wild beschimpft, während er bemüht gewesen war, nicht das Aufsehen der anderen Wattwanderer zu erregen. Immerhin war er eine bekannte Persönlichkeit gewesen, und da wäre ein Streit mit seiner Geliebten so ziemlich das Letzte gewesen, was er gebrauchen konnte.
    Sie hatte die Demütigung über sich ergehen lassen und einen Entschluss mit ganz besonderer Tragweite gefasst. Nun war Holger Heiners tot. Die Karten waren neu gemischt. Und dennoch spürte sie diese unendliche Leere tief in ihrem Herzen. Sie fühlte sich einsam. Im Stich gelassen.
    „So ruhig?“ Torben trat hinter sie und hauchte ihr wie selbstverständlich einen Kuss in den Nacken, der sie erschaudern ließ. Er hatte eine Flasche Rotwein aufgezogen und war mit zwei Gläsern zurück auf die kleine Terrasse auf der Rückseite des windschiefen Reethauses gekommen, wo sie nachdenklich in den Sternenhimmel über Nordfriesland geblickt hatte. Er duftete gut, und sie sog den Duft seines Aftershaves tief ein. Als sie eine Hand hob und durch sein glatt rasiertes Gesicht strich, lachte er leise.
    „Das hättest du schon viel früher haben können.“
    Sie seufzte. „Wer sagt denn, dass ich das wollte?“
    Er reichte ihr das Glas, murmelte leise „zum Wohl“ und nippte von dem Wein.
    Sie benetzte ihre Lippen und trank einen Schluck. Heute Nacht war ihr alles egal. Levke hatte nur einen Wunsch: Sie wollte alles vergessen, was passiert war.
    „Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein“, flüsterte sie schließlich und drehte sich zu ihm um. „Ich müsste in meiner Wohnung sein und mir die Augen aus dem Kopf heulen. Immerhin ist mein Traumprinz tot.“ Sie lachte auf, doch es klang verbittert. „Jedenfalls ist der Mann tot, den

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