WattenMord (German Edition)
gelaufen.
Die Luft im Schlafzimmer war stickig, und Madeleine Oelke fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Nachdem sie sich eine Zeit lang im Bett herumgewälzt hatte, ohne eine bequeme Position zu finden, erhob sie sich und stand auf. Ihr Mann schlief den Schlaf der Gerechten – ihm schien die Hitze im Zimmer nichts auszumachen. Madeleine Oelke verspürte Durst und verließ das Schlafzimmer. Den Weg zur Küche fand sie im Halbdunkel des Hauses. Im Kühlschrank zog sie eine offene Milchpackung hervor und trank gleich aus der Packung. Sie genoss die frische Milch und atmete tief durch. Obwohl sie müde war, fand sie in dieser Nacht einfach keinen Schlaf. Es ärgerte sie, denn morgen musste sie fit sein. Im Job gab sie alles, denn sie arbeitete mit Leidenschaft an der Schule in Husum. Die Vorstellung, dass sie morgen unausgeschlafen und schlecht gelaunt zum Dienst ging, gefiel ihr nicht. Madeleine Oelke wischte sich den Milchbart auf ihrer Oberlippe mit dem Handrücken ab und stellte die Packung zurück in den Kühlschrank. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, benötigten ihre Augen einen kurzen Augenblick, um sich an die in der Küche herrschende Dunkelheit zu gewöhnen. Nachdenklich trat sie ans Küchenfenster und blickte hinaus in die sternklare Nacht. Die halbhohen Gardinen am Fenster hatte sie mit viel Liebe selbst genäht. Überhaupt trug dieses Haus ihre ganz persönliche Note – sie liebte es, ein Nest für die Familie zu bauen.
Im Haus auf der anderen Straßenseite brannte noch Licht. Dort wohnte Torben Schäfer, der seltsame Biolehrer. Eigentlich war er ein netter Kerl, doch für Madeleine Oelkes Geschmack war er mitunter ein wenig weltfremd, wenn es um den Umweltschutz ging. Er war nicht einfach nur Biologielehrer – er lebte seinen Beruf voller Leidenschaft und er liebte es, den Kindern von seiner Arbeit als Naturschützer zu berichten. Trotz seines sehr ökologischen Kleidungsstils und seiner manchmal seltsamen Ansichten war er beliebt bei den Schülern an der Hermann-Tast-Schule.
Normalerweise ging Torben Schäfer früh zu Bett, wie er sagte, um Strom zu sparen. Umso mehr wunderte sich Madeleine Oelke, dass zu dieser späten Stunde noch Licht in Schäfers Haus brannte. Sie wandte sich um und blickte auf die Küchenuhr an der Wand, die leise vor sich hin tickte. Es war längst nach Mitternacht.
Ein Motorengeräusch riss sie aus den Überlegungen. Drüben rollte das Auto von Torben Schäfer die Einfahrt zur Straße entlang. Es war ein seltsames Fahrzeug, wie Madeleine Oelke fand: Ein hochbeiniger und geländegängiger VW Golf mit breiten Reifen und Unterfahrschutz. Man hatte den Golf vor rund zwanzig Jahren in limitierter Auflage als Geländewagen gebaut. Längst waren diese Fahrzeuge selten und meist nur noch in der Hand von Liebhabern anzutreffen. Schäfer liebte seinen Golf Country, und er sah es nicht ein, viel Geld in ein neues Auto zu investieren. Mit dröhnendem Motor rollte der Golf Country jetzt auf die Straße. Sie konnte vom Küchenfenster aus nicht erkennen, ob Schäfer allein hinter dem Steuer saß oder ob er sich in Begleitung befand. Normalerweise war Torben Schäfer auch ein besonnener Autofahrer, der hohe Drehzahlen mied. Er wollte die Umwelt nicht mehr als nötig belasten, wenn er schon mit dem Auto unterwegs war. Doch in dieser Nacht war alles anders: Mit rasender Geschwindigkeit fuhr Schäfer durch das Dorf in Richtung Ortsausgang.
Seltsam, dachte Madeleine Oelke, er hatte die Festbeleuchtung in seinem Haus brennen lassen.
Ob dort etwas passiert war?
Obwohl sie sich Gedanken machte, war sie eine zurückhaltende Frau und zog es vor, ihn am nächsten Tag darauf anzusprechen. Madeleine Oelke wandte sich vom Fenster ab und verließ die Küche. Im Schlafzimmer wurde sie vom leisen Schnarchen ihres Mannes empfangen. Lächelnd legte sie sich zu ihm ins Bett und schmiegte sich an ihn. Er quittierte die Nähe seiner Frau im Unterbewusstsein mit einem zustimmenden Brummen. Im nächsten Augenblick war auch Madeleine Oelke eingeschlafen.
Oldenswort, 21.55 Uhr
Sie blickte erschrocken auf, als ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wurde. Beke Frahm war auf dem Sofa eingeschlafen. Ein anstrengender Tag lag hinter ihr, und noch immer hatte sie die Erlebnisse vom Morgen nicht verkraftet. Ihr Vorgesetzter, Ralf Finner, hatte sie für die nächsten Tage beurlaubt. Ihm war an der Gesundheit seiner Mitarbeiter sehr gelegen, und das angenehme Arbeitsklima im Multimar war ihm äußerst
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