WattenMord (German Edition)
sie sich nicht an den letzten Abend und die letzte Nacht erinnern.
Filmriss, hämmerte es durch ihren benebelten Kopf.
Sie versuchte, sich aufzurichten. Das Bett, in dem sie lag, war definitiv nicht ihr französisches Bett. Es handelte sich um ein altmodisches Bauernbett mit knarrendem Holzgestell. Die Bettwäsche hingegen duftete wundervoll frisch. Wo war sie?
Als die Bettdecke ein wenig herunterrutschte, stellte sie erschrocken fest, dass sie unbekleidet war.
Oh mein Gott, was ist bloß passiert?
Sie blickte sich in dem Schlafzimmer um. Der massive Eichenkleiderschrank, der altmodische Herrendiener neben dem Bett und die schweren Nachtkonsolen mit den Glasplatten an der Oberseite, die Lämpchen mit den kleinen vergilbten Schirmchen, all das war ihr fremd. Wo, um Himmels willen, befand sie sich?
Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemanden im Bekanntenkreis zu haben, dessen Einrichtung so altmodisch war, wie dies in diesem Schlafzimmer der Fall war. Das Mobiliar war mindestens ein halbes Jahrhundert alt, die Tapeten an den Wänden wiesen schreckliche Muster auf und waren ebenfalls längst vergilbt. Unter der Decke gab es einen unansehnlichen, braunen Fleck, der wahrscheinlich von einem stümperhaft behobenen Wasserschaden herrührte. Was war das nur für eine Bruchbude, in die man sie entführt hatte?
Eine Zeitreise in die Vergangenheit – so hatte ihre Großmutter gelebt.
Ihr Herz begann zu rasen, als sie sah, dass ihre Kleidungsstücke auf dem Dielenboden verstreut lagen. Levke überlegte fieberhaft, was geschehen war. War sie auf einer Party gewesen? Hatte sie sich mit einem Mann eingelassen?
Krampfhaft versuchte sie, sich an die Ereignisse der letzten Nacht zu erinnern … Vergeblich.
Hatte man ihr vielleicht sogar K.O.-Tropfen ins Glas geschüttet, sie willenlos gemacht und sie vergewaltigt? Panik ergriff sie, und ihr Atem ging stoßweise. Ja, sie hatte mit einem Mann geschlafen. Das spürte sie. Als die Finger ihrer rechten Hand in ihren Schoß glitten und die noch immer vorhandene feuchte Wärme fühlten, hatte sie die schreckliche Gewissheit, dass etwas mit ihrem Körper geschehen war, an das sie sich nicht erinnern konnte. Ekel kam in ihr auf. Es war, als hätte man ihr Gedächtnis gelöscht wie die Festplatte eines Computers.
Sämtliche Erinnerungen an die vergangene Nacht waren wie weggewischt.
Als sie den Kopf ein wenig zu hastig zur Seite wandte, erblickte sie einen altmodischen Blechwecker. Doch das typische dumpfe und metallene Ticken blieb aus – die Uhr stand.
Levke hätte gern auf das Display ihres Handys gesehen, um zu wissen, wie spät es war. Als sie zum Fenster blickte, stand die Sonne schon hoch am Himmel.
Mein Gott, dachte sie panisch, ich muss zur Schule. Ich muss zum Unterricht.
Sie stieß die Bettdecke fort, spürte Schwindel in sich aufsteigen und massierte ihre Schläfen. Sie schloss die Augen, sah grelle Punkte vor den geschlossenen Lidern aufblitzen und spürte den bohrenden Schmerz, der ihren Kopf malträtierte. Gleichzeitig stieg das Gefühl der Übelkeit erneut in ihr hoch. Levkes Magen rebellierte, und sie spürte, dass sie sich übergeben musste.
Eilig, etwas zu schnell, stand sie auf und suchte ihre Kleidung zusammen, schlüpfte hastig und auf einem Bein durch das Zimmer hüpfend in ihren Slip und legte den BH an. Irgendwo fand sie auch ihr Kleid, nur von den Schuhen fehlte jede Spur. Sie lehnte sich gegen den Kleiderschrank und versuchte, ihren Puls unter Kontrolle zu bekommen.
Oh mein Gott, hämmerte es in ihrem Hirn, was ist nur geschehen?
Sie wankte aus dem Schlafzimmer und fand sich in einem mit rotem Teppich ausgelegten Korridor wieder. Die Tür zum Bad stand offen. Rechtzeitig schaffte sie es zur Toilette, klappte den Deckel hoch und übergab sich in die matte Schüssel. Ihr gesamter Körper rebellierte gegen das, was geschehen war. Es trieb Levke an den Rand des Wahnsinns, sich an nichts erinnern zu können.
Es dauerte zehn Minuten, bis das lähmende Zittern ihres zierlichen Körpers nachließ. Mühselig rappelte sie sich auf spülte sich am Waschbecken den Mund aus. Doch der pelzige Geschmack auf ihrer Zunge blieb. Schwerfällig verließ sie das enge Bad. Ihre Kehle, der Hals und ihre Mundhöhle brannten höllisch. Sie stieg eine Holztreppe hinunter und hörte eine Stimme in einem der angrenzenden Räume. Wie eine Marionette marschierte sie mit unsicheren Bewegungen in die Küche des Hauses.
Der Mann, der auf der Eckbank hockte, war ihr
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