WattenMord (German Edition)
der Christian-Albrechts-Universität in Kiel obduzieren lassen.
Ulbricht stellte fest, dass die Wege in einem Mordfall hier im Norden der Republik ein wenig weiter waren als im Bergischen Land. Er hoffte, dass die Tötungsdelikte hier trotzdem so schnell aufgeklärt wurden, wie er das gewohnt war. Betroffen stand er am Rand des lichtdurchfluteten Raumes, in dem Gabriele Heiners vor seinen Augen ermordet worden war. In seiner Laufbahn hatte er schon viel erlebt, doch bei einem Mord anwesend zu sein, das schlug ihm auch nach all den Jahren noch auf den Magen.
„Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?“
„Was?“ Als Ulbricht sich umwandte, blickte er in das besorgte Gesicht eines glatzköpfigen Mannes um die fünfzig, der seine Mitarbeiter in herrschsüchtigem Ton zur Eile antrieb.
Er hatte sich bei seinem Eintreffen knapp als Hauptkommissar Friedrichs, Leiter der Mordkommission der Bezirkskriminalinspektion Flensburg, vorgestellt. Ein seltsamer Typ, wie Ulbricht fand. Mit ihm schien nicht gut Kirschen essen zu sein. Der kahlköpfige Hüne stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen da und musterte Ulbricht mit tadelndem Blick. Um sie herum wieselten die Mitarbeiter der Spurensicherung in ihren weißen Einmalanzügen. Jemand fotografierte Beweisstücke und nahm eine Totale der Gesamtsituation auf. Man hatte Patronenhülsen mit einem Kaliber von 9 mm sichergestellt. Alles wies tatsächlich auf eine Uzi hin, wie sie von Armeekräften genutzt wurde.
„Sie sind als Privatperson hier und haben sich in einen Kriminalfall eingemischt“, stellte Friedrichs fest. „Das ist nicht gut und bringt sicherlich Ärger.“
„Hören Sie auf zu spinnen“, erwiderte Ulbricht wütend. „Sie sind Bulle wie ich und wissen genau, dass man in unserem Job niemals Urlaub hat.
„Mag sein. Aber ich mische mich auch im Urlaub nicht in Ermittlungen meiner Kollegen ein und verwische unter Umständen wichtige Spuren. Wenn es blöd läuft, müssen Sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen.“
„Das Sie gegen mich anstrengen werden?“ Ulbricht schüttelte den Kopf. „So was habe ich heute schon mal gehört. Dass ich nicht lache. Ihr Nordlichter seid doch über jede Unterstützung froh, die euch zuteil wird.“
„Sie sollten sich Ihre Äußerungen genau überlegen. Was wollten Sie von Frau Heiners?“
„Ich wollte ihr ein paar Fragen stellen.“
„Wie man das so tut … in unserem Job.“ Spott lag in Friedrichs’ Stimme.
„Sie sind zehn Jahre jünger als ich, Friedrichs. Und Sie müssen erst mal da riechen, wo ich schon hingekackt habe, also blasen Sie hier mal nicht so einen Ballon auf. Denken Sie nicht, dass ich blöd bin, nur weil ich nicht zu einer Behörde in Schleswig-Holstein gehöre.“
„An Ihrer Stelle würde ich den Ball ganz flach halten“, zischte Friedrichs und gab Ulbricht ein Zeichen. „Und jetzt kommen Sie.“
„Ich soll kommen?“ Ulbricht glaubte, sich verhört zu haben. „Wohin denn?“
„Mit mir. In die Direktion nach Flensburg. Dort werden wir alles in Ruhe klären.“ Nun grinste Friedrichs überheblich. „So wie ich Sie einschätze, liegt das doch ganz in Ihrem Interesse, oder irre ich mich?“
Ulbricht hatte genug gehört. Was bildete sich dieser arrogante Fischkopf eigentlich ein? Er war es nicht gewohnt, dass man sich in seine Ermittlungen einmischte. Doch hier hing es um mehr. Hier ging es darum, seiner Tochter zu helfen.
„Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus, Friedrichs. Haben Sie denn schon die Fahndung nach dem Fluchtfahrzeug der Täter eingeleitet?“
Friedrichs wirkte sekundenlang irritiert. In seinem Augenwinkel zuckte ein Nerv, die schmalen Lippen hatte er zu einem Strich zusammengepresst, und Ulbricht wusste, dass Friedrichs die Fahndung noch nicht ausgerufen hatte. Wie sollte man hier einen Mörder fangen, wenn die Kollegen derart stümperhaft arbeiteten?
„Es liegt wohl auf der Hand, dass jemand verhindern wollte, dass ich an gewisse Informationen komme, die ich mir vom Gespräch mit Gabriele Heiners erhofft habe“, beharrte Ulbricht.
„Und das hat sie teuer bezahlen müssen.“ Friedrichs winkte ab. „Was haben Sie gefragt?“
„Das werde ich Ihnen doch nicht auf die Nase binden“, entgegnete Ulbricht. Er hatte keine Lust, einen Kollegen, der ein Disziplinarverfahren in Betracht zog, mit Informationen zu versorgen. „Haben Sie jetzt die Fahndung rausgegeben oder immer noch nicht? Die Karre war so auffällig wie ein rosafarbener Elefant in der Innenstadt, da
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