WattenMord (German Edition)
nickte. „So einfach ist das.“ Die Schnapsflasche verschwand wieder in der Schreibtischschublade, und er erhob sich. „Was gibt es Neues zum Fall?“
„Warten wir die Untersuchung des Golf Country ab“, schlug Petersen vor. „Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, was das bringen soll.“
Dierks brachte ihn zur Tür. Dort angekommen, schlug er Petersen auf die Schulter. „Wie gesagt – mach dir nicht immer so einen Kopf. Vielleicht sollten wir mal wieder alte Traditionen aufleben lassen und ein Bier zusammen trinken gehen.“
„Ja.“ Petersen nickte erleichtert. „Das sollten wir, ganz bestimmt sogar.“ Dann war er draußen, und plötzlich fühlte er sich wieder so, als könne er Bäume ausreißen.
„Jan, kommst du mal?“ Auf dem Weg zu seinem Büro kam Petersen an Katja Grafs Arbeitsplatz vorbei. Die Tür stand offen, weil sie Sven Gerke zum Kaffeeautomaten geschickt hatte.
„Was gibt es, Katja?“ Er betrat den Raum und zog sich einen Stuhl heran, um sich falsch herum darauf niederzulassen. Nach dem Gespräch mit Matthias Dierks fühlte er sich wieder ein wenig wie der Alte. Dierks war nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch sein Vermieter. Und er hatte sich als äußerst großzügiger Vermieter gezeigt, indem er Petersen die Miete erlassen hatte. Blieben nur noch die einsamen Abende, die er verlebte. Doch Petersen war sicher, auch eines Tages die Frau fürs Leben zu finden. Er musterte Katja Graf unauffällig.
„Ich musste Jörn Holst rauslassen.“
Petersen machte große Augen. „Du musstest … was?“
„Er ist seit einer Viertelstunde auf freiem Fuß.“
„Wieso denn das?“ Petersen fürchtete, plötzlich vor dem Nichts zu stehen.
„Er hatte für die Tatzeit doch noch ein Alibi – ein unfreiwilliges allerdings.“ Katja lächelte, und er verliebte sich einen Augenblick lang in ihre lustigen Grübchen. „Wir haben ihn gestern Abend geblitzt.“
„Wo und wann war das genau?“
„Auf der B 201, bei Schleswig. Das war gegen zweiundzwanzig Uhr.“
„Dann wird es Zeit, zu überprüfen, wann im Multimar die Alarmanlage entsichert wurde. In modernen Anlagen wird so etwas ja dokumentiert.“
„Hab ich schon längst getan“, lächelte Katja. „Und es passt – oder auch nicht, je nachdem aus welcher Perspektive du es sehen willst. Die Abschaltung der Anlage erfolgte gegen 21.55 Uhr.“
„Mist.“
„Weil du jetzt ohne deinen Hauptverdächtigen dastehst?“
„Vielleicht.“ Petersen hieb sich vor die Stirn. „Warum habe ich das nicht gleich zu Anfang prüfen lassen?“
„Weil du nicht gut drauf warst in den letzten Tagen, Jan.“
Katjas Stimme klang sanft und mitfühlend. „Irgendwie hat keiner daran gedacht, aber nun haben wir es ja schwarz auf weiß, denn ich habe mir den Ausdruck des Journals vom Multimar mailen lassen.“
„Immerhin“, sagte Petersen anerkennend, ohne auf ihren mitfühlenden Einwurf zu reagieren. Es war ihm unangenehm, dass nicht nur Wiebke aufgefallen war, dass etwas nicht mit ihm gestimmt hatte. Dass ausgerechnet Katja Graf daran eine Teilschuld trug, wollte er ihr nicht auf die Nase binden. Letzten Endes machte sie sich noch Vorwürfe, und das wollte er ihr auf keinen Fall zumuten.
„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte sie, als er plötzlich nachdenklich auf sie wirkte.
„Ich bin an einer anderen Spur dran, aber ich will Dierks nicht vorgreifen. In der Nachmittagssitzung bringen wir uns gegenseitig auf Stand, und morgen sind wir garantiert durch mit dem Fall, Katja.“
Sie nickte, dabei hüpfte eine ihrer blonden Haarsträhnen auf und ab. „Das wäre schön.“
„Ja.“ Er stand auf, stellte den Stuhl an seinen Platz zurück und grinste.
„Jan?“
Petersen, der schon einen Fuß auf dem Flur hatte, verharrte und wandte sich zu ihr um. „Was?“
„Hast du mal Lust, mit mir essen zu gehen? Im ,Ratskeller‘ soll es ausgezeichnete Steaks geben.“
Sie war ein wenig errötet und hatte die Stimme gesenkt.
„Klar – warum nicht?“ Er gab sich Mühe, seine Freude zu verbergen und versuchte vergeblich gleichgültig zu klingen. Dabei fiel ihm auf, wie niedlich Katja mit roten Wangen aussah.
„Gibts hier was zu tuscheln?“
Weder Katja noch Petersen hatten bemerkt, dass Sven Gerke mit zwei Bechern bewaffnet vom Automaten zurückgekehrt war.
„Klar“, grinste Petersen. „Wir lästern gerade über unseren Azubi ab.“ Als er in Gerkes überraschtes Gesicht blickte, ließ er die beiden allein.
Flensburg, Ballastkai, 14.30
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