WattenMord (German Edition)
der Sekretärin, deren Hauptaufgabe es offenbar war, lästige Besucher auf die nötige Distanz zu halten.
„Es tut mir leid“, rief sie aufgeregt. „Aber die Dame ist von der Polizei, das ist Kommissarin Ulbricht, und Sie …“
„Danke“, lächelte Wiebke und betrachtete ihren Vater. „Hier stecken Sie also“, sagte sie vorwurfsvoll.
Ulbricht, der sich wunderte, warum er plötzlich von seiner Tochter gesiezt wurde, erhob sich. Kugelschreiber und Notizblock verschwanden wieder in der Hemdtasche. „Was soll das denn jetzt?“, fragte er.
Rohde war aufgesprungen. „Polizei?“, rief er. „Denen habe ich schon alles gesagt.“ Dann musterte er Wiebke. „Moment, wie war Ihr Name?“
„Ulbricht, von der Kripo.“
„Aber er hier“, Rohde deutete auf Ulbricht, „er sagt, er hieße Ulbricht.“
„Keine Sorge.“ Wiebke lächelte. „Ich bin auf der Suche nach unserem Herrn Mayer.“ Sie tippte sich bezeichnend an die Schläfe. „Er befindet sich in psychologischer Behandlung.“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Haben Sie wieder meinen Namen verwendet, um …“
„Wir gehen jetzt besser“, unterbrach Ulbricht seine Tochter. Sie hatte keine Einwände, nahm ihn an der Hand und führte ihn aus dem Büro wie einen kleinen Jungen.
„Entschuldigen Sie noch einmal die Störung“, rief sie Rohde und seiner Sekretärin über die Schulter zu, dann waren sie draußen.
„Was war das denn für eine schräge Nummer?“, fragte Ulbricht seine Tochter, kaum, dass sie das Bürogebäude am Ballastkai verlassen hatten.
Sie grinste. Es tat ihr sichtlich gut, ihm eins ausgewischt zu haben. „Nun steht es eins zu eins“, sagte Wiebke und führte ihn zum Auto. „Wenn du glaubst, mich reinlegen zu können, dann schlage ich zurück. Also bist du ein geistig verwirrter, alter Mann, den ich als Polizistin betreue. Aber es ist ja alles gut gegangen, und sogar dieser aalglatte Manager hat uns die Story abgenommen.“
Ulbricht war stehen geblieben und musterte seine Tochter mit finsterer Miene. „Moment“, rief er dann. „Den ,alten Mann‘ nimmst du auf der Stelle zurück!“
„Wenn ich dafür ,verrückt‘ stehen lassen darf, dann gerne!“ Sie stiegen ein. „Was hattest du da drinnen eigentlich vor?“, fragte Wiebke, während sie den Wagen in Richtung Glücksburg steuerte. Dort parkte noch immer Ulbrichts alter Vectra vor dem Haus der Heiners’.
„Ich wollte mich einfach mal umschauen“, behauptete er.
„Und prompt ist mir aufgefallen, dass auf jedem Schreibtisch ein Laptop stand.“
„Kein Wunder“, lachte Wiebke. „Friedrichs hat wahrscheinlich längst sämtliche Rechner einkassiert und lässt nun die Festplatten durchleuchten.“
„So hat jeder seine Methode, Beweise zu sammeln“, murmelte Ulbricht und lehnte sich bequem im Sitz zurück, um die Landschaft zu bewundern. Nachdem sie das Ortsausgangsschild von Flensburg passiert hatten, wurde die Gegend wieder ländlicher, und die kurvenreiche Straße führte über sanfte Hügel und durch grüne Täler nach Glücksburg. Durch das offene Seitenfenster drang die frische Sommerluft in den Wagen, und der Fall, der sie beide beschäftigte, rückte für einen Moment in weite Ferne.
Als Wiebke immer wieder kurz zu ihm hinüber blickte, glaubte sie, dass ihr Vater döste. Er war ein altes Schlitzohr, und plötzlich war sie stolz darauf, dass er sich in ihren Fall eingemischt hatte …
Husum, Polizeidirektion Poggenburgstraße, 14.40 Uhr
„Komm mal runter zu mir!“ Piet Johannsens Stimme klang aufgeregt am Telefon.
Petersen nahm die Füße von seiner Schreibtischkante. „Wieso?“, fragte er. „Hast du Freibier für alle gekauft, und ich soll dir tragen helfen?“
„Mensch, Jan, quatsch keine Opern! Ich will dir was zeigen!“
Petersen seufzte. Als er aus dem Fenster blickte, sah er dicke Wolkenberge, die sich über Husum aufgetürmt hatten. Es würde heute noch Regen geben, und bei seinem Glück setzte der Platzregen ausgerechnet dann ein, wenn er auf dem Hof der Direktion stand. „Also gut“, murmelte er. „Aber wehe, du hast keinen triftigen Grund, mich durch die Gegend zu scheuchen.“
„Du wirst erstaunt sein“, erwiderte Johannsen und legte auf.
Petersen erhob sich von seinem wackeligen Bürostuhl und zog sich die dünne Jacke über. Wiebkes Schreibtisch war immer noch verwaist, und er wusste, dass sie mit ihrem Vater in Flensburg unterwegs war. Friedrichs hatte wohl einen ziemlichen Aufstand geprobt, weil sich Ulbricht senior in
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