WattenMord (German Edition)
den Kopf. „Du redest Blech, Jan.“
„Eben nicht“, fuhr Petersen auf und hielt seinem Vorgesetzten das leere Glas hin.
Dierks schenkte schweigend nach.
„Früher sind wir zusammen zur Schule gegangen, haben das Abi gemacht und haben uns gemeinsam auf der Polizeischule angemeldet. Dann waren wir ein Team, und irgendwann stand eine Beförderung an. Du hast den Jackpot gezogen und warst der Glückliche, der fortan hier was zu melden hat. Ich sag das nur ungern, Mattes, aber du bist mein Boss, und du bist schon lange nicht mehr der gute Freund, den ich früher hatte.“ Petersen nahm das Glas, setzte es an und trank. „Du hast dich verändert, Mattes.“ Diesmal brannte der Klare schon nicht mehr so sehr wie beim ersten Mal.
„Und das macht dich so fertig?“ Dierks schien es nicht glauben zu können.
„Nicht nur. Ich habe eine gescheiterte Ehe hinter mir und gehe finanziell auf dem Zahnfleisch, das muss ich dir nicht erzählen. Meine Ex zieht mich bis aufs letzte Hemd aus, ich verbringe jeden Abend einsam in meiner Bude und trinke zu oft und zu viel. Du hingegen fährst immer schön nach Hause zu deiner Familie, den fast erwachsenen Kindern und der Frau, die dich nach all den Jahren als Bulle immer noch liebt und sich jeden Abend freut, wenn du nach Hause kommst.“
„Du bist ziemlich einsam, Jan.“
„Das ist es nicht.“ Petersen schüttelte den Kopf und blickte auf seine Schuhspitzen. „Jedenfalls ist es das nicht allein.“ Er schämte sich plötzlich dafür, seinem ehemaligen Partner sein Herz ausgeschüttet zu haben. Früher hatten sie alles bei einem Feierabendbier besprochen. Und es war ihm peinlich, auf das, was Dierks in den letzten Jahren erreicht hatte, neidisch zu sein. Dennoch sah er die Dinge realistisch: Er war von Dierks abhängig, beruflich und privat.
„Dann sag mir endlich, was dich so fertig macht, und ich werde sehen, wie ich dir helfen kann.“ Dierks lächelte ihm aufmunternd zu.
„Ich kann dir diesen Monat keine Miete zahlen, Mattes.“ Petersens Kopf ruckte hoch. Er blickte Dierks lange an, versuchte, in dessen Gesicht zu lesen.
Plötzlich begann Matthias Dierks zu lachen. Er schien über Petersens Sorgen amüsiert zu sein – ein Umstand, der Petersen noch wütender machte. Was bildete sich dieser arrogante Kerl eigentlich ein?
„Sag mal, spinnst du?“, fragte er und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch seines Vorgesetzten. „Hast du mir nicht zugehört? Ich habe nicht genug Geld auf dem Konto, um dir die Miete zu bezahlen.“ Hätte er doch damals bloß nicht das Angebot angenommen, in eines der Häuser von Matthias Dierks einzuziehen. Streng genommen gehörten die Häuser seiner Frau, die sie mit in die Ehe gebracht hatte. Als Petersen kurz nach seiner Scheidung eine neue Bleibe gesucht hatte, war es eine gute Fügung gewesen, dass eines der kleinen Traufenhäuser in der Süderstraße frei geworden war. Die Mieterin war verstorben und das Haus heruntergekommen. Dierks war ihm mit dem Mietpreis entgegengekommen und hatte auf eine Kautionszahlung verzichtet. Im Gegenzug hatte Petersen ihm damals versprochen, das Haus nach und nach in Eigenregie zu sanieren. Er fühlte sich wohl in seinem Hexenhaus, wie er es liebevoll wegen seiner schiefen Wände nannte.
„Mach dir doch über so einen Scheiß keinen Kopf, Jan.“ Dierks war ernst geworden. „Ich bitte dich – wir kennen deine finanzielle Situation, und ich bin bestimmt der Letzte, der dich deshalb vor die Tür setzt. Keine Angst, du musst nicht unter der Brücke schlafen. Zahl einfach so, wie du es kannst. Ich rede mit Elke, und sie wird meiner Meinung sein, jede Wette.“
Elke war die Frau von Matthias Dierks. Ein liebenswertes Wesen mit großem Herzen und für Dierks, der offenbar auf der Sonnenseite des Lebens wohnte, ein echter Glücksgriff. Ihre Ehe verlief seit sechsundzwanzig Jahren harmonisch.
„Geht das denn? Ich meine, ihr müsst doch für das Haus jeden Monat an die Bank …“
„Vergiss es.“ Dierks winkte ab. „Die Finanzierung ist längst durch, Jan. Deshalb fällt es uns auch nicht schwer. Ich habe mir so etwas übrigens gedacht. Deshalb habe ich gleich nach unserem Gespräch vorhin mit Elke telefoniert. Sie hat keine Einwände, wenn wir dir die Miete bis auf Weiteres erlassen.“
„So einfach ist das?“ Petersen konnte es einfach nicht glauben. Ihm war, als würde der Ballast, den er die letzten Tage mit sich herumgetragen hatte, einfach von ihm abfallen.
„Ja.“ Dierks
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