Waugh, Evelyn
er.
»Ja, Liebster.«
»Und mir schreiben?«
»Ja, Liebster«, antwortete sie, schon weniger entschieden, »manchmal… wenigstens werde ich’s versuchen. Du weißt ja, Schreiben ist nicht meine Stärke.«
»Ich werde da unten die ganze Zeit an dich denken«, sagte Hector. »Es wird schrecklich sein – Meilen unpassierbarer Karrenpfade zwischen mir und den nächsten Weißen, blendende Sonne, Löwen, Moskitos, feindselige Eingeborene, Arbeit von Sonnenauf- bis -untergang, ich allein gegen die Gewalten der Natur, Fieber, Cholera… Aber ich werde bald nach dir schicken und dich zu mir holen können.«
»Ja, Liebster.«
»Es muss gutgehen. Ich habe alles mit Beckthorpe durchgesprochen – das ist der Mann, der mir die Farm verkauft hat. Weißt du, bisher hat es da nichts als Missernten gegeben – erst Kaffee, dann Sisal, dann Tabak, sonst kann man da ja nichts anbauen; in dem Jahr, als er Sisal anbaute, verdienten alle anderen sich mit Tabak dumm und dämlich, nur mit Sisal war nichts; dann [154] pflanzte er Tabak an, aber da hätte er Kaffee anbauen sollen, und so weiter. Neun Jahre hat er durchgehalten. Aber wenn man es mathematisch durchrechnet, sagt Beckthorpe, muss man im Durchschnitt alle drei Jahre das Richtige treffen. Warum das so ist, kann ich dir auch nicht genau erklären, aber es ist so ähnlich wie beim Roulette und diesen ganzen Sachen.«
»Ja, Liebster.«
Hector starrte auf die formlose, bewegliche kleine Knopfnase und war wieder ganz weit weg… »Auf sie mit Gebrüll!«…, und nach der Schlacht der Duft der auf dem Gaskocher in seinem Zimmer röstenden Teekuchen…
II
Am Abend dinierte er mit Beckthorpe, und über dem Essen wurde er immer verzagter.
»Morgen um diese Zeit bin ich auf See«, sagte er und drehte sein leeres Glas zwischen den Fingern.
»Kopf hoch, Junge«, sagte Beckthorpe.
Hector schenkte sich einen neuen Portwein ein und ließ mit wachsender Abneigung den Blick durch den stinkenden Speisesaal von Beckthorpes [155] Club wandern. Das letzte schreckliche Mitglied war gegangen, und sie waren mit dem kalten Büfett allein.
»Sehen Sie, ich hab mir das noch mal klarzumachen versucht. Sie sagten doch, drei Jahre muss man warten, bis die Ernte stimmt, nicht wahr?«
»Ganz recht, mein Lieber.«
»Also, das hab ich noch mal nachgerechnet, und wie mir scheint, können es auch einundachtzig Jahre sein, bis das eintrifft.«
»Nein, nein, mein Lieber! Drei oder neun, allerhöchstens siebenundzwanzig.«
»Sind Sie ganz sicher?«
»Ganz sicher.«
»Gut… Wissen Sie, es ist so schrecklich, Milly hier zurückzulassen. Wenn es nun doch einundachtzig Jahre dauert, bis die Ernte stimmt? Man kann von einem Mädchen schlecht verlangen, so lange zu warten. Es könnte irgendein anderer daherkommen, Sie verstehen.«
»Im Mittelalter hatte man dafür Keuschheitsgürtel.«
»Ja, ich weiß. Daran habe ich auch schon gedacht. Aber die scheinen doch verdammt unbequem zu sein. Ich glaube kaum, dass Milly einen tragen würde, selbst wenn ich an so etwas heranzukommen wüsste.«
[156] »Ich will Ihnen etwas sagen, mein Lieber. Sie sollten ihr etwas schenken.«
»Mein Gott, ich schenke ihr doch immerzu etwas. Entweder macht sie es kaputt, oder sie verliert es oder weiß nicht mehr, woher sie es hat.«
»Es muss etwas sein, was sie immer bei sich hat; was die Zeit überdauert.«
»Einundachtzig Jahre?«
»Höchstens siebenundzwanzig. Es sollte sie immer an Sie erinnern.«
»Ich könnte ihr ein Foto von mir schenken – aber in siebenundzwanzig Jahren werde ich mich sicher ein wenig verändern.«
»Nein, das wäre vollkommen ungeeignet. Ein Foto taugt nichts. Ich weiß, was ich ihr schenken würde. Einen Hund.«
»Einen Hund?«
»Einen gesunden jungen Welpen, der über die Staupe weg ist und aussieht, als hätte er noch lange zu leben. Sie könnte ihn sogar Hector nennen.«
»Ob das gut ist, Beckthorpe?«
»Etwas Besseres gibt es nicht, mein Lieber.«
So eilte Hector denn am nächsten Morgen, ehe er in den Schiffszug stieg, zu einem dieser riesenhaften Londoner Kaufhäuser und ließ sich in die [157] Tierabteilung führen. »Ich möchte ein Hündchen.«
»Sehr wohl, mein Herr. Soll es eine bestimmte Rasse sein?«
»Lange leben soll es. Einundachtzig Jahre, oder mindestens siebenundzwanzig.«
Der Verkäufer machte ein zweifelndes Gesicht. »Wir haben zwar ein paar schöne, gesunde Welpen«, meinte er, »doch eine Garantie können wir natürlich auf keinen geben. Aber wenn es Ihnen
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