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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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auf Langlebigkeit ankommt, kann ich Ihnen vielleicht zu einer Schildkröte raten. Die werden ungemein alt und sind robust im Verkehr.«
    »Nein, es muss ein Hund sein.«
    »Oder vielleicht ein Papagei?«
    »Nein, nein, ein Hund. Am besten sollte er Hector heißen.«
    Sie gingen an den Affen und Katzen und Kakadus vorbei und kamen in die Hundeabteilung, die selbst zu dieser frühen Morgenstunde schon eine kleine Gemeinde verzückter Bewunderer angelockt hatte. Hier warben in verdrahteten Käfigen Hündchen aller Sorten mit gespitzten Ohren und wedelnden Schwänzen geräuschvoll um Beachtung.
    Hector fischte aufs Geratewohl einen Pudel heraus, und während der Verkäufer das [158] Wechselgeld holen ging, beugte er sich zu einer kurzen, ernsten Zwiesprache mit dem Tier seiner Wahl hinab. Er sah ihm tief in das schlaue Gesichtchen, wich mit knapper Not den plötzlich zuschnappenden Zähnen aus und sagte feierlich:
    »Hector, du wirst mir gut auf Milly aufpassen. Gib acht, dass sie niemand anderen heiratet, bevor ich zurück bin.«
    Und Hündchen Hector wedelte mit dem Quastenschwanz.
    III
    Millicent, die ihn zum Zug bringen wollte, fuhr gedankenlos zum falschen Bahnhof, aber das machte nichts, denn sie war ohnehin zwanzig Minuten zu spät. Hector und der Pudel standen an der Sperre und hielten nach ihr Ausschau, und erst als der Zug sich schon in Bewegung setzte, drückte er das Tierchen Beckthorpe in den Arm und wies ihn an, es bei Millicent abzuliefern. Im Gepäcknetz über ihm lagen Koffer mit der Aufschrift »Mombasa« und »Reisegepäck«. Hector kam sich sehr vernachlässigt vor.
    Am Abend, als das Schiff stampfend und schlingernd die Leuchttürme zum Ärmelkanal passierte, [159] erhielt er ein Funktelegramm: wegen missgeschick untroestlich – wie dumm nach paddington gehetzt – danke fuer suesses huendchen – liebe es sehr – vater wuetend – moechte bald von farm hoeren – fall nicht auf schiffssirene rein – alles liebe milly.
    Auf dem Roten Meer bekam er das zweite: fernhalten von sirenen – huendchen hat mann namens mike gebissen.
    Und danach hörte Hector nichts mehr von Millicent, abgesehen von einer Weihnachtskarte, die Ende Februar eintraf.
    IV
    Im Allgemeinen währte Millicents Interesse an einem bestimmten jungen Mann vier Monate. Je nachdem, wie weit er es in dieser Zeit gebracht hatte, erlosch es mehr oder weniger plötzlich. Ihrer Zuneigung zu Hector hätte die Stunde gerade zum Zeitpunkt ihrer Verlobung schlagen sollen, so aber zog sie sich noch drei Wochen künstlich in die Länge, in denen er sich eifrig und mit ansteckendem Ernst um eine Anstellung in England bemühte; doch mit seiner Abreise nach Kenia endete sie abrupt, und so begannen Hündchen Hectors Pflichten bereits am ersten Tag im [160] neuen Heim. Er war sehr jung für eine solche Aufgabe und gänzlich unerfahren; deshalb kann man ihm den Fehler, den er im Falle Mike Boswell beging, unmöglich zum Vorwurf machen.
    Besagter junger Mann unterhielt mit Millicent seit dem Tag ihres Debuts eine völlig unromantische Freundschaft. Er kannte ihre blonden Haare bei jedem Licht und in jeder Umgebung, gekrönt mit den Hüten der jeweils neuesten Mode, verziert mit Bändern und geschmückt mit Kämmen oder keck mit Blumen darin; ihre Nase hatte er sie bei jedem Wetter in die Luft recken sehen, sogar schon scherzhaft zwischen Daumen und Zeigefinger genommen – aber nie hatte er sich auch nur einen Augenblick im allermindesten zu ihr hingezogen gefühlt.
    Aber das alles konnte Hündchen Hector natürlich nicht wissen. Er wusste nur, dass er sich schon am zweiten Tag im Amt einem stattlichen Mann im heiratsfähigen Alter gegenübersah, dessen Vertrautheit mit der Gastgeberin im Kreise der Tierpflegerinnen, unter denen Hector aufgewachsen war, nur eine Deutung zuließ.
    Die beiden jungen Leute tranken Tee miteinander. Hector beobachtete sie eine Weile vom Sofa aus und konnte nur mit Mühe ein Knurren unterdrücken. Als Mike sich dann im Verlauf [161] einer kaum verständlichen Wechselrede vorbeugte und Millicents Knie tätschelte, war das Maß voll.
    Es war kein ernsthafter Biss, eigentlich nur ein leichtes Zuschnappen; aber Hectors Zähnchen waren nadelspitz. Nur weil Mike so schnell und erschrocken die Hand zurückriss, kam er zu Schaden; er fluchte laut und umwickelte die Hand mit einem Taschentuch, und erst als Millicent darauf bestand, enthüllte er schließlich die drei oder vier winzigen Wunden. Millicent schalt Hector und tröstete

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