Waugh, Evelyn
man rübergucken kann.«
»Rübergucken?«
[225] »Hrrm. Wenn Regen kommt, sieht man den Kirchturm von Pilbury.«
Mr. Metcalfe nahm die Belehrung würdevoll entgegen. »Diese Alten wissen so einiges, wovon die Wissenschaft keine Ahnung hat«, kommentierte er gelegentlich im Ton einer Überlegenheit, die er ganz und gar nicht empfand. Zwar war Boggett, der Gärtner, keineswegs besonders alt, und er wusste auch recht wenig; was er säte, ging selten auf; wenn man ihm ein Gartenmesser in die Hand gab, richtete er damit nichts als Verwüstung an; sein gärtnerischer Ehrgeiz erschöpfte sich darin, den dickstmöglichen Kürbis aufzupäppeln; aber Mr. Metcalfe sah mit der schlichten Ehrfurcht des kleinen Bauern vor dem Priester zu ihm auf. Mr. Metcalfe hatte die Weihen des Landlebens nämlich erst vor kurzer Zeit empfangen, und alles, was damit zusammenhing, erweckte seine ehrfürchtige Bewunderung – die landwirtschaftliche Arbeit, die ländliche Gesellschaftsordnung, der Wortschatz, die Zerstreuungen; ebenso der Anblick, der sich ihm jetzt glitzernd unter der kühlen Maisonne darbot: Obstbäume in Blüte, Kastanien im vollen Laub, die knospenden Eschen; die Geräusche und Gerüche: wenn Mr. Westmacott früh am Morgen seine Kühe rief; der Duft der feuchten Erde und Boggetts [226] unbeholfenes Gematsche um den Goldlack herum. Rings um ihn pulsierte das Herz des Landlebens – oder was Mr. Metcalfe für das Herz des Landlebens hielt –, und sein eigenes Herz folgte im selben Rhythmus, denn war er nicht ein Teil davon, ein wahrer Landmann, ein Grundbesitzer?
Gewiss, der Grundbesitz hielt sich in bescheidenen Grenzen, aber wie er so auf seiner Terrasse stand und auf das unberührte Tal vor ihm hinunterblickte, beglückwünschte er sich, dass die Makler ihn nicht zu einem größeren Anwesen mit einem Vielfachen an Sorgen hatten verleiten können. Er besaß nicht ganz drei Hektar, und diese Größe erschien ihm gerade richtig; sein verbriefter Besitz umfasste das Haus und eine Koppel; weitere vierundzwanzig Hektar Kulturland hätte er auch noch haben können, und ein paar Tage hatte er mit der fast berauschenden Idee gespielt, sie zu erwerben. Natürlich hätte er sie sich ohne weiteres leisten können, aber es wäre gegen seine sämtlichen Grundsätze und für einen Mann wie ihn geradezu pervers gewesen, sein Kapital in etwas zu investieren, was gerade zwei Prozent Rendite abwarf. Er suchte ein Heim, keinen »Sitz«, und die Ironie dieses Wortes beschäftigte ihn noch eine Weile; er dachte nämlich an Lord Brakehurst, mit dessen Anwesen er, wie [227] er sich gern ausdrückte, »eine gemeinsame Grenze« hatte – in der Tat lagen nur etwa hundert Meter Nichts zwischen Mr. Metcalfes Koppel und einer von Lord Brakehursts Wiesen. Was konnte denn mit Sitzen weniger zu tun haben als das Leben, das Lord Brakehurst führte – jeder Tag mit den Obliegenheiten eines großen Besitzes ausgefüllt? Nein, drei Hektar, klug gewählt, das war der ideale Grundbesitz, und Mr. Metcalfe hatte klug gewählt. Der Makler hatte nichts als die Wahrheit gesagt, wenn er Much Malcock eines der unberührtesten Dörfer der Cotswolds nannte. Von eben so einem Plätzchen hatte Mr. Metcalfe die ganzen langen Jahre geträumt, die er in Alexandria im Baumwollhandel tätig war. Der Vorbesitzer hatte Mr. Metcalfes Residenz, die man seit Generationen unter dem eigenwilligen Namen »Grumps« kannte, in »Hof Much Malcock« umgetauft. Der neue Name passte gut. Es handelte sich um »ein gediegenes georgianisches Gebäude aus warmem Cotswoldstein; vier Wohn-, sechs Schlaf- und Ankleideräume; reich an Zeitgeschichte«. Nur die Dorfbewohner waren zu Mr. Metcalfes Leidwesen nicht zu bewegen, von »Hof Much Malcock« zu sprechen. Boggett sagte immer noch, er arbeite »auf Grumps« – aber der neue Name war schließlich nicht Mr. Metcalfes [228] Einfall, und er machte sich zudem gut auf seinem Briefpapier. Er gab ihm einen Rang im Dorf, der nicht unumstritten war.
Lord Brakehurst war natürlich eine Klasse für sich; er war Lord Lieutenant der Grafschaft und hatte Grundbesitz in fünfzig Gemeinden. Lady Brakehurst hatte Mrs. Metcalfe noch nicht einmal besucht, denn in der Welt, in der sie lebte, hatten Antrittsbesuche ihre Bedeutung verloren. Aber zur Aufrechterhaltung dieser Tradition kamen in Much Malcock noch zwei weitere Häuser in Frage sowie ein Grenzfall – nicht mitgerechnet der Pfarrer, der wie ein Plebejer sprach und mit Vorliebe gegen Bankiers
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