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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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predigte.
    Die Konkurrenz bestand aus Lady Peabury und Colonel Hodge, die zwar beide für die Alteingesessenen noch immer Zugezogene waren, aber immerhin schon zwanzig Jahre länger in Much Malcock wohnten als Mr. Metcalfe.
    Lady Peabury wohnte im Gut Much Malcock, dessen Schornsteine demnächst hinter dem Sommerlaub versteckt sein würden, jetzt aber noch durch den knospenden Limes auf dem gegenüberliegenden Hang zu erkennen waren. Zwischen ihrem und Mr. Metcalfes Anwesen lagen anderthalb Hektar Wiesen, auf denen Westmacotts fette Herde die Landschaft bereicherte und ein [229] Gegengewicht zur eher vorstädtischen Pracht von Lady Peaburys Blumenbeeten bildete. Sie war Witwe und wie Mr. Metcalfe aus dem Ausland nach Much Malcock gekommen. Sie war reich, liebenswürdig und ziemlich habgierig, eine fleißige Leserin von Romanen, Herrin über viele Cairnterrier sowie fünf zuverlässige alte Dienerinnen, die nie das Crown-Derby-Porzellan zerbrachen.
    Colonel Hodge wohnte in der Villa Much Malcock, einem schönen Haus mit Giebel, gelegen an der Dorfstraße, dessen Garten ebenfalls an Westmacotts Wiese grenzte. Der Colonel war mittellos, aber dafür betätigte er sich aktiv in der Britischen Legion und bei den Pfadfindern. Er nahm Mr. Metcalfes Einladung zum Abendessen an, nannte ihn im Familienkreis aber den »Baumwollfritzen«.
    Dies waren die Nachbarn von unzweifelhafter Stellung. Die Hornbeams in der Alten Mühle waren ein kinderloses Ehepaar in mittleren Jahren, das sich dem Kunsthandwerk verschrieben hatte. Mr. Hornbeam senior war Töpfereibesitzer in Staffordshire; er unterstützte sie widerstrebend und nicht sehr großzügig, aber der nicht mit eigener Arbeit verdiente Scheck, den sie alle drei Monate bekamen, hob sie unbestritten in die [230] Sphäre der örtlichen Oberschicht. Mrs. Hornbeam war eine regelmäßige Kirchgängerin, und Mr. Hornbeam verstand etwas von Gemüseanbau. Überhaupt hätten sie, wenn statt des Küchengartens ein Tennisplatz vor ihrem Haus gewesen wäre und Mr. Hornbeam einen Abendanzug besessen hätte, ohne weiteres mit ihren Nachbarn von Gleich zu Gleich verkehren können. Zur Zeit des Friedensbegehrens hatte Mrs. Hornbeam alle mit dem Fahrrad erreichbaren Häuser der Umgebung abgeklappert, aber dem Frauenverein blieb sie fern, und nach Lady Peaburys Ansicht versäumte sie es, ihren Beitrag für die Dorfgemeinschaft zu leisten. Für Mr. Metcalfe war Mr. Hornbeam ein Bohemien, und für Mr. Hornbeam war Mr. Metcalfe ein Spießer. Colonel Hodge war schon seit langem wegen irgendeiner Geschichte mit seinem Airedale mit ihnen zerstritten und schnitt sie jahraus, jahrein, drei- bis viermal täglich.
    Die Dorfbewohner unter ihren Ziegeldächern zogen aus all diesen Fremden beträchtlichen Nutzen. Ausländische Besucher drücken angesichts der Preise in den Londoner Restaurants und der Pracht der leichter zugänglichen Herzogspaläste oft ihre Bewunderung für den Wohlstand Englands aus. Sie wissen nicht, wovon sie [231] reden. Der wirklich große Reichtum des Landes sickert in abgelegenen Weilern wie Much Malcock in die Erde zurück. Das Dorf hatte seine Festhalle und seinen Club. Im Gebälk der Dorfkirche hatte man ihnen für teures Geld die Totenuhr ausräuchern lassen; die Pfadfinder besaßen ein Gruppenzelt und silberne Fanfaren; die Gemeindeschwester fuhr ihr eigenes Auto; zu Weihnachten wurden die Kinder mit buntgeschmückten Bäumen und Festen verwöhnt und die Kätner mit üppigen Geschenkkörben; wenn einer krank wurde, erhielt er Portwein, Suppe und Trauben die Menge und Fahrkarten ans Meer; abends kamen die Männer des Dorfes mit den Taschen voller Trinkgelder nach Hause, und das ganze Jahr über taten sie sich an Treibhausgemüse gütlich. Der Pfarrer hatte es schwer, sie für den linken Buchclub zu interessieren.
    »Den Menschen allen gab Gott alle Erde, sie zu lieben«, zitierte Mr. Metcalfe, der sich dunkel erinnerte, diese Zeilen einmal auf einem Abreißkalender in seinem Büro in Alexandria gelesen zu haben. »Doch da zu klein sind unsre Herzen, sei jedem doch ein Fleckchen zugeteilt, das ihm vor allem teuer sei.«
    Er sah sich im Geräteschuppen um, wo sein Chauffeur über ein paar Batterien grübelte. Er [232] steckte den Kopf in ein anderes Wirtschaftsgebäude und sah, dass dem Rasenmäher im Lauf der Nacht kein Leid geschehen war. Er blieb im Küchengarten kurz stehen, um von einer frisch gepflanzten Schwarzen Johannisbeere, die in diesem Sommer noch keine Früchte tragen

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