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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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durfte, die Blüten abzuzwacken. Und nach diesem Rundgang schlenderte er zum Frühstück zurück ins Haus.
    Seine Frau war schon da.
    »Ich habe mal nach dem Rechten gesehen«, sagte er.
    »Ja, Lieber.«
    »Es steht alles zum Besten.«
    »Ja, Lieber.«
    »Aber man sieht den Kirchturm von Pilbury nicht.«
    »Großer Gott, Beverley! Wozu auch?«
    »Wenn man ihn sieht, gibt es Regen.«
    »Ach, Unsinn. Du hast dir mal wieder was von Boggett erzählen lassen.«
    Sie stand auf und ließ ihn mit seinen Zeitungen allein. Sie musste die Köchin sprechen. Anscheinend kosteten einen die Dienstboten in England sehr viel Zeit; wehmütig dachte sie an die weißgewandeten Berberjungen zurück, die in Alexandria über die kühlen Fliesenböden ihres Hauses gehuscht waren.
    [233] Mr. Metcalfe beendete sein Frühstück und zog sich mit Pfeife und Zeitungen in sein Arbeitszimmer zurück. Die Gazette war von heute Morgen. Der wahre Landmann las immer zuerst sein »Lokalblatt«, und so arbeitete Mr. Metcalfe sich geduldig durch die Aktivitäten des Frauenvereins und einen Bericht über eine Gemeinderatssitzung zum Thema Kanalisation, bevor er sich gestattete, die Times aufzuschlagen.
    So heiter begann ein Tag der Zähren!
    II
    Gegen elf Uhr legte Mr. Metcalfe das Kreuzworträtsel beiseite. In der Diele zum Garten verwahrte er diverse Gartengeräte, die speziell für ältere Menschen konstruiert waren. Er hatte gerade erst ein neues erworben und spazierte damit hinaus in den Sonnenschein, um sich den Wegerich auf dem Rasen vorzunehmen. Das Gerät hatte einen schönen lederbezogenen Griff und bestand aus einem zweigeteilten Holzstiel mit einer Spitze aus rostfreiem Stahl; es funktionierte wunderbar, und schon bald hatte Mr. Metcalfe mit minimalem Kraftaufwand eine große Rasenfläche mit ordentlichen kleinen Grübchen verunziert.
    [234] Jetzt hielt er inne und rief zum Haus hinüber: »Sophie, Sophie, sieh doch, was ich gemacht habe!«
    In einem der oberen Fenster erschien der Kopf seiner Frau. »Sehr schön, Lieber«, sagte sie.
    Ermutigt machte er sich wieder an die Arbeit. Boggett kam vorbei.
    »Ein sehr nützliches Gerät ist das, Boggett.«
    »Hrrm.«
    »Meinen Sie, wir sollten die freien Stellen mit Gras einsäen?«
    »Nööö.«
    »Sie meinen, das Gras wächst von selbst darüber?«
    »Nööö. Der Wegerich kommt wieder.«
    »Glauben Sie nicht, dass ich die Wurzeln erwischt habe?«
    »Nööö. Macht die Wurzeln nur noch kräftiger, wenn man sie kappt.«
    »Hm. Was hätte ich denn tun sollen?«
    »Gegen Wegerich kann man gar nichts tun. Der kommt immer wieder raus.«
    Boggett ging weiter. Mr. Metcalfe betrachtete sein Werkzeug mit plötzlicher Abneigung, lehnte es gereizt an die Sonnenuhr, steckte die Hände in die Hosentaschen und starrte über das Tal. Selbst auf die Entfernung störte Lady Peaburys [235] Arboretum die harmonische Landschaft. Er ließ den Blick wandern und beobachtete, zuerst ohne sich etwas dabei zu denken, dann mit wachsender Neugier, wie zwei ihm unbekannte Gestalten zwischen Westmacotts Kühen umhergingen. Es waren junge Männer in dunkler Städterkleidung, und sie waren mit irgendetwas sehr beschäftigt. Sie hielten Papiere in den Händen, auf denen sie immerzu etwas nachschauten; sie schritten auf der Wiese auf und ab, wie um etwas nachzumessen; dann gingen sie in die Hocke, wie um ungefähres Höhenmaß zu nehmen; und dabei zeigten sie in die Luft, auf den Boden und zum Horizont.
    »Boggett«, befahl Mr. Metcalfe scharf, »kommen Sie doch mal einen Moment hierher.«
    »Hrrm.«
    »Sehen Sie die zwei Männer auf Mr. Westmacotts Wiese?«
    »Nööö.«
    »Nein?«
    »Ist nicht Mr. Westmacotts Wiese. Der hat sie verkauft.«
    »Verkauft? Mein Gott! An wen?«
    »Kann ich ehrlich nicht sagen. Ein Herr aus London, wohnt im Brakehurst. Hab gehört, er soll einen ordentlichen Preis dafür bezahlt haben.«
    »Was will er denn bloß damit?«
    [236] »Kann ich ehrlich nicht sagen, aber er wird sich wohl ein Haus drauf bauen wollen.«
    Bauen. Ein Wort so hässlich, dass man es in Much Malcock höchstens im Flüsterton auszusprechen wagte. »Bebauung«, »Erschließung«, »Bereinigung«, »Planung« – solche obszönen Wörter waren aus dem vornehmen Wortschatz des Bezirks gestrichen und wurden nur gelegentlich mit der dem Anthropologen zugestandenen Freiheit im Zusammenhang mit den wilden Stämmen jenseits der Gemeindegrenzen in den Mund genommen. Und jetzt war das Grauen in ihrer Mitte, das Pestmal am Hofe des

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