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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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machen«, erklärte sie. »Aber ob Tom nun wirklich der Richtige für sie ist… ich weiß nicht, ich weiß nicht…«
    Die MacDougals blieben vier Tage, und zum Abschied drängte Mrs. Kent-Cumberland sie, doch recht bald zu einem längeren Besuch wiederzukommen. Bessie war von allem, was sie gesehen hatte, hingerissen gewesen.
    »Ich wünschte, wir könnten hier wohnen«, hatte sie am ersten Abend zu Tom gesagt, »in diesem reizenden alten Haus.«
    [217] »Ja, Schatz, ich auch. Es gehört natürlich alles Gervase, aber ich betrachte auch es immer als mein Zuhause.«
    »Genauso geht es uns Australiern mit England.«
    »Eben.«
    Sie hatte unbedingt alles sehen wollen: das alte Herrenhaus mit dem Giebel, das seit dem Bau des jetzigen Herrenhauses im 18. Jahrhundert nur noch als Wittum diente – dieses hässlich proportionierte, unkomfortabel eingerichtete Haus, in dem sich Mrs. Kent-Cumberland in trüben Momenten ihre letzten Lebensjahre verbringen sah; die Mühle und die Steinbrüche; die Farm, die den MacDougals so winzig und ordentlich vorkam wie die Arche Noah. Auf diesen Expeditionen gab Gervase den Führer. »Er weiß natürlich über alles viel besser Bescheid als Tom«, erklärte Mrs. Kent-Cumberland.
    Überhaupt fand Tom sich selten mit seiner Verlobten allein. Als sie einmal nach dem Abendessen alle zusammensaßen, kam die Rede kurz auf ihre Heirat. Er fragte Bessie, ob sie nun, nachdem sie Tomb gesehen habe, vielleicht lieber hier in der Dorfkirche heiraten möchte als in London.
    »Ach, mit dieser Entscheidung hat es doch gar [218] keine Eile«, sagte Mrs. Kent-Cumberland. »Lass doch Bessie sich erst einmal ein wenig umsehen.«
    Die MacDougals machten sich im Anschluss an ihren Besuch auf den Weg nach Schottland, zum Schloss ihrer Ahnen. Mr. MacDougal hatte verschiedenen Zweigen seiner Familie nachgespürt, dann gelegentlich mit ihnen korrespondiert und wollte sie nun gern kennenlernen.
    Bessie schrieb allen, die auf Tomb geblieben waren; Tom schrieb sie täglich, aber wenn sie nachts schlaflos in dem schrecklichen Bett lag, das die entfernte Verwandtschaft ihr zugewiesen hatte, fühlte sie zum ersten Mal eine gewisse Enttäuschung und Unsicherheit. In Australien war Tom ihr so anders als alle anderen vorgekommen, so freundlich und würdevoll und kultiviert. Hier in England verblasste er zur Bedeutungslosigkeit. Hier schienen alle so zu sein wie Tom.
    Und dann das Haus! Es war genau so, wie sie sich ein Haus, in dem Engländer lebten, immer vorgestellt hatte, mit diesem reizenden kleinen Park – nicht einmal vierhundert Hektar –, dem weichen Rasen und den alten Steinen. Tom passte gut in dieses Haus. Er passte zu gut, verschwand geradezu darin, verschmolz mit der Umgebung. Das Haupthaus gehörte Gervase – er war Tom so ähnlich, nur hübscher, hatte Toms ganzen Charme, [219] aber mehr Persönlichkeit. Von solchen Gedanken geplagt, wälzte sie sich also in dem harten, unebenen Bett, bis die Morgendämmerung durch das Spitzbogenfenster ihres viktorianisch-prunkvollen Turmzimmers drang. Sie liebte dieses Turmzimmer trotz all seiner Unbequemlichkeiten. Es war so antik.
    XII
    Mrs. Kent-Cumberland war eine rührige Frau. Die MacDougals waren kaum zehn Tage fort, da kehrte sie triumphierend von einem Tagesbesuch in London zurück. Als sie nach dem Abendessen allein mit Tom im kleinen Salon saß, sagte sie: »Du wirst sehr überrascht sein, wenn du hörst, wen ich heute getroffen habe. Gladys. «
    »Gladys?«
    »Gladys Cruttwell.«
    »Du lieber Himmel! Wo bist du denn der begegnet?«
    »Es war reiner Zufall«, antwortete seine Mutter ausweichend. »Sie arbeitet jetzt in London.«
    »Wie geht’s ihr?«
    »Sie sieht sehr hübsch aus. Eigentlich noch hübscher als früher.«
    [220] Es trat eine Pause ein. Mrs. Kent-Cumberland stickte konzentriert an ihrem Kissenbezug. »Du weißt doch, mein Junge, dass ich mich nie einmische, aber manchmal habe ich mich ja doch gefragt, ob es sehr nett war, wie du dich Gladys gegenüber verhalten hast. Ich weiß, dass ich da teilweise mitverantwortlich bin, aber ihr wart damals beide so jung, und eure Zukunft war so ungewiss. Ich dachte, ein paar Jahre Trennung könnten erweisen, ob ihr euch wirklich liebt.«
    »Ach was, sie hat mich sicher längst vergessen.«
    »O nein, Tom. Sie kam mir sehr unglücklich vor.«
    »Aber woher willst du das denn wissen, Mutter, wenn du sie doch nur zufällig getroffen hast?«
    »Wir haben dann zusammen gegessen. In einem ABC -Laden.«
    Erneute

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