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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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dreimal die Woche zu hören bekam, antworte ich, dass es Marineschuhe sind, die mein Vater mich aus Gründen extremer Armut aufzutragen gebeten hat. Das bringt sie in Verlegenheit. Aber du teilst ja solche kleinbürgerlichen Vorurteile sicher nicht. Bitte deinen Namen, mein Lieber, hier unter dieses subversive Manifest.«
    Charles zögerte noch immer. Der Vorschlag ging gegen alle guten Sitten in Spierpoint. Was die Ehrgeizigen hier auch immer an Intrigen, Schmeicheleien oder Eigenwerbung inszenieren mochten, es war stets kunstvoll getarnt. Sich selbst [316] kleiner zu machen war die Regel. Offen eine Vergünstigung für sich zu beanspruchen, so etwas tat man einfach nicht. Außerdem kam der Anstoß nicht nur von einem Schüler aus einem andern Haus, der im Rang unermesslich tief unter Charles stand, sondern auch noch von einem notorischen Exzentriker. Vor einem Trimester hätte Charles das Ansinnen noch mit Abscheu zurückgewiesen, aber heute und schon seit Anfang dieses Trimesters war er sich einer neuen Stimme unter seinen inneren Ratgebern bewusst, eines abseitsstehenden, kritischen Mr. Hyde, der immer häufiger dem konventionellen, intoleranten, untermenschlichen und durch und durch respektablen Dr. Jekyll auf die Pelle rückte; es war gewissermaßen eine Stimme aus einer kultivierteren Epoche, wie wenn etwa in viktorianischer Zeit gelegentlich aus der Kaminecke das hämische Lachen von Großmama erklang, mit dem sie, ein Relikt aus der Regency-Zeit, ihre backenbärtigen Nachkommen mit empörender, klarer Selbstgewissheit aus ihren hehren, konfusen Gedanken riss.
    »Du musst nämlich wissen, dass Frank ganz und gar für den Vorschlag ist«, sagte Curtis-Dunne. »Er sagt nur, die Initiative muss von uns ausgehen. Er kann sich nicht für Reformen [317] einsetzen, von denen man ihm dann sagen wird, dass eigentlich keiner sie will. Er will dem Komitee einen konkreten Vorschlag unterbreiten können.«
    Das brachte Dr. Jekyll zum Verstummen. Charles unterschrieb.
    »So«, sagte Curtis-Dunne, »jetzt dürfte es mit unserem Mercer hier auch keine Schwierigkeiten mehr geben. Er hat nämlich gesagt, er unterschreibt, wenn du unterschreibst.«
    Um die Mittagszeit waren schon dreiundzwanzig Unterschriften beisammen, darunter die des diensthabenden Aufsichtsschülers.
    »Wir haben heute ein Fanal entzündet«, sagte Curtis-Dunne.
    Im Refektorium wurde Charles’ Verhalten in der Bibliothek ausgiebig kommentiert.
    »Ich weiß, dass er unausstehlich ist«, sagte Charles, »aber er amüsiert mich nun mal.«
    »In Brent’s House halten ihn alle für verrückt.«
    »Frank nicht. Außerdem würde ich das eher für eine Empfehlung halten. Er ist überhaupt einer der intelligentesten Leute, denen ich je begegnet bin. Wenn er zur richtigen Zeit gekommen wäre, hätte er uns alle hier wahrscheinlich längst überrundet.«
    Unerwartete Unterstützung kam von Wheatley.
    »Ich weiß zufällig, dass der Direx ihn [318] aufgenommen hat, um seinem Vater einen besonderen Gefallen zu tun. Er ist der Sohn von Sir Samson Curtis-Dunne, dem hiesigen Abgeordneten. Sie haben ein großes Haus bei Steyning. Ich hätte gar nichts dagegen, dort demnächst mal zur Jagd eingeladen zu werden.«
    An Sonntagnachmittagen hatte zu den Arbeitssälen in den Häusern zwei Stunden lang nur der Schülerrat Zutritt; die übrigen Schüler verteilten sich in ihren schwarzen Anzügen, die weißen Strohhüte unterm Arm, in Gruppen, Paaren und der einen oder anderen einsamen, traurigen Gestalt, über die Landschaft und gingen »spazieren«. Alle menschlichen Ansiedlungen waren für sie gesperrt; sie hatten die Wahl zwischen der offenen Landschaft hinter Spierpoint Ring und der einzigen Landstraße, die zu der abgelegenen normannischen Kirche St. Botolph führte. Tamplin und Charles gingen meist gemeinsam spazieren.
    »Wie ich Sonntagnachmittage hasse«, sagte Charles.
    »Vielleicht finden wir ein paar Brombeeren.«
    Aber an der Tür wurden sie von Mr. Graves aufgehalten.
    »Hallo, ihr beiden«, sagte er, »möchtet ihr euch vielleicht nützlich machen? Meine Druckerpresse [319] ist angekommen. Ich dachte, ihr könntet mir helfen, sie zusammenzubauen.« Er führte sie in sein Zimmer, wo halbgeöffnete Kisten fast den ganzen Boden bedeckten. »Als ich sie gekauft habe, war sie in einem Stück. Jetzt habe ich nur das hier als Anleitung.« Er zeigte ihnen einen Holzschnitt in einem alten Buch. »Viel geändert hat sich nicht seit Caxtons Tagen bis zur Erfindung der

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