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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Sachen ein. Vom Zeichensaal führte eine Treppe hinunter auf den Oberen Hof und an der Tür von Brent’s vorbei – Franks Haus. Hier begegnete er Mercer.
    »Na, hast du gemalt?«
    »Wenn man es so nennen kann.«
    »Zeig mal.«
    »Nein.«
    »Bitte.«
    »Es ist rundum abscheulich. Ich finde es grauenhaft, sage ich dir. Wenn ich es nicht gleich zerrissen habe, dann nur zu meiner eigenen Demütigung, damit ich es mir wieder ansehen kann, wenn ich mir je wieder einbilden sollte, etwas von Kunst zu verstehen.«
    »Du bist immer unzufrieden, Ryder. Das ist [312] wahrscheinlich das Kennzeichen des echten Künstlers.«
    »Wenn ich ein Künstler wäre, würde ich keine Sachen machen, mit denen ich dann nicht zufrieden bin. Hier, schau’s dir an, wenn du unbedingt willst.«
    Mercer stierte auf den aufgeklappten Zeichenblock.
    »Was gefällt dir daran nicht?«
    »Das Ganze ist einfach ekelerregend.«
    »Na ja, es ist vielleicht ein bisschen verschnörkelt.«
    »Mein lieber Mercer, da hast du mit deinem unfehlbar sicheren Geschmack genau die Eigenschaft genannt, die als Einzige noch halbwegs erträglich ist.«
    »Oh, Verzeihung. Na ja, ich finde das Ding jedenfalls rundum erstklassig.«
    »Wirklich, Mercer? Du machst mir großen Mut.«
    »Sag mal, du bist ein ganz schön schwieriger Mensch. Ich weiß gar nicht, warum ich dich leiden kann.«
    »Dafür weiß ich, warum ich dich leiden kann. Weil du so gar kein bisschen schwierig bist.«
    »Kommst du mit in die Bibliothek?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    [313] Wenn die Bibliothek geöffnet hatte, saß da ein Aufsichtsschüler, der die von den Jungen ausgeliehenen Bücher in ein Heft eintrug. Charles ging wie üblich sofort zu dem Regal mit den Büchern über Kunst, aber ehe er sich dort in aller Ruhe hinsetzen konnte, wie er es liebte, wurde er von Curtis-Dunne, dem alten Neuen vom letzten Trimester aus Brent’s House, angesprochen. »Empfindest du es nicht auch als Skandal, dass wir uns an den wenigen Tagen in der Woche, an denen wir die Bibliothek benutzen dürfen, die Füße in den Leib stehen müssen, bis so ein Analphabet von Aufsichtsschüler sich herbequemt und uns reinlässt? Ich habe das Thema mal bei unserm Freund Frank angesprochen.«
    »Oh, und was hat er dazu gesagt?«
    »Wir versuchen, ein System auszuarbeiten, nach dem die Bibliotheksrechte auf alle ausgedehnt werden können, die sie wirklich brauchen, auf Leute wie dich und mich und wohl auch den guten Mercer.«
    »Ich weiß im Moment nicht mehr, in welcher Klasse du bist.«
    »Oberstufe Naturwissenschaft. Bitte halte mich deswegen nicht für einen Naturwissenschaftler. Es war nur so, dass wir bei der Marine mit den alten Sprachen aufhören mussten. Meine [314] Interessen sind aber rein literarisch und politisch. Und natürlich hedonistisch.«
    »Oh.«
    »Vor allem hedonistisch. Übrigens hab ich mir hier mal die politische und ökonomische Abteilung angesehen. Eine merkwürdige Zusammenstellung, mit meterweit klaffenden Lücken. Ich habe eben im Vorschlagsbuch drei ganze Seiten gefüllt. Vielleicht möchtest du da auch deine Unterschrift druntersetzen.«
    »Nein danke. Ist nicht üblich, dass Leute ohne Bibliotheksrechte ins Vorschlagsbuch schreiben. Außerdem interessiert mich Ökonomie nicht.«
    »Ich habe auch den Vorschlag hineingeschrieben, die Bibliotheksrechte auszuweiten. Frank muss was Konkretes in der Hand haben, was er vors Komitee bringen kann.«
    Er holte das Vorschlagsbuch in die Kunstnische. Charles las: »Da literarischer Geschmack keine Frage des Alters ist, möge man beschließen, das System der Bibliotheksrechte zu revidieren und den wahrhaft Interessierten die Möglichkeit zu bieten, von ihnen Gebrauch zu machen.«
    »Ist doch gut gesagt, oder?«, meinte Curtis-Dunne.
    »Man wird dich für ziemlich anmaßend halten, wenn man das liest.«
    [315] »Es ist bereits allgemein bekannt, dass ich anmaßend bin, aber ich brauche andere Unterschriften.«
    Charles zögerte. Um Zeit zu gewinnen, sagte er: »Sag mal, was hast du denn da an den Füßen? Das sind doch keine Schulschuhe?«
    Curtis-Dunne hob einen Fuß in die Höhe, der in weichem schwarzen Leder steckte; ein Schnürschuh ohne Kappe, dessen Oberleder so rauh und rissig war wie eine abgegriffene alte Bibel. »Aha, du hast mein arbeitssparendes Schuhwerk entdeckt. Die trage ich immer abends und morgens. Sie sind eine ständige Quelle der Peinlichkeit bei unseren Aufsichtspersonen. Auf Fragen, wie ich sie in meinem ersten Trimester etwa zwei- bis

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