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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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wie seine leichte Übelkeit sich in Heiterkeit verwandelte.
    »War’s hart?«
    »Ja, ziemlich. Und gut gezielt.«
    Nach dem Essen kam O’Malley auf dem Hof zu Charles.
    »Hör mal, Ryder, das mit heute Abend tut mir furchtbar leid.«
    »Ach, hau ab.«
    »Aber ich musste doch meine Pflicht tun.«
    »Bitte, dann geh, und tu deine Pflicht, aber hör auf, mich damit zu belästigen.«
    »Ich tu alles, was du willst, um es wiedergutzumachen. Das heißt, außerhalb des Hauses. Ich sag dir was – ich gebe irgendeinem aus einem andern Haus einen ordentlichen Tritt, du kannst dir aussuchen, wem. Spratt, wenn du willst.«
    »Am besten gibst du dir selber einen Tritt, Drecks-Desmond, dass du über den ganzen Hof fliegst.«

[328] Taktische Übung
    John Verney heiratete Elizabeth 1938, aber erst im Winter 1945 war es so weit, dass er sie durchgängig und von Herzen hasste. Zuvor hatte es zahllose kurze Hassanfälle gegeben, denn dazu neigte er leider. Er war kein Miesepeter im üblichen Sinne des Wortes, eher im Gegenteil; ein müder oder abwesender Blick war das einzig sichtbare Zeichen der inneren Erregung, die ihn mehrmals am Tag ergriff, wie andere vom Lachzwang oder Geschlechtstrieb ergriffen werden.
    Während des Krieges galt er bei seinen Kameraden als phlegmatischer Zeitgenosse. Er hatte keine guten oder schlechten Tage; seine Tage waren alle gleichmäßig gut und schlecht; gut insofern, als er zügig erledigte, was erledigt werden musste, ohne »den Kopf zu verlieren« oder »aus der Haut zu fahren«; schlecht wegen der sporadischen unsichtbaren Hassblitze, die ihm bei jedem Hindernis oder Rückschlag durchs Gemüt zuckten. In seiner Ordonnanzstube, wenn er als Kompanieführer den morgendlichen Aufmarsch [329] der Delinquenten und Simulanten erlebte; in der Messe, wenn die unteren Ränge Radio hörten und ihn damit beim Lesen störten; in der Generalstabsakademie, wenn die »Klasse« seiner Lösung widersprach; im Brigadehauptquartier, wenn der Oberfeldwebel eine Akte verlegte oder die Telefonordonnanz einen Anruf versaubeutelte; wenn sein Chauffeur eine Abzweigung verpasste; später im Krankenhaus, wenn der Arzt seine Wunde zu flüchtig zu inspizieren schien und die Schwestern fröhlich plappernd bei sympathischeren Patienten am Bett standen, statt ihm gegenüber ihre Pflicht zu tun – in allen ärgerlichen Situationen des Soldatenlebens, über die andere mit einem Fluch und einem Achselzucken hinweggingen, klappten John Verneys Augenlider müde herunter, eine winzige Hassgranate explodierte, und die Splitter knallten und klirrten an die Stahlwände seiner Seele.
    Vor dem Krieg hatte er weniger Anlass gehabt, sich zu ärgern. Er hatte ein gewisses Vermögen und die Aussicht auf eine politische Karriere. Vor der Ehe zahlte er sein Lehrgeld als Kandidat für die Liberalen in zwei hoffnungslosen Nachwahlen. Die Parteizentrale lohnte es ihm mit einem Wahlkreis in einem Londoner Außenbezirk, in dem er bei der nächsten Parlamentswahl gute [330] Erfolgschancen hatte. In den achtzehn Monaten vor dem Krieg pflegte er seinen Wahlkreis von seiner Wohnung in Belgravia aus und reiste häufig auf den Kontinent, um sich über die politischen Zustände zu informieren. Diese Reisen überzeugten ihn davon, dass der Krieg unvermeidlich war; er verurteilte das Münchner Abkommen scharf und sicherte sich einen Offiziersposten im Territorialheer.
    In dieses friedliche Vorkriegsleben fügte sich Elizabeth unauffällig ein. Sie war seine Cousine. 1938 war sie, vier Jahre jünger als er, sechsundzwanzig geworden, ohne sich je verliebt zu haben. Sie war eine ruhige, ansehnliche junge Frau, ein Einzelkind mit ihrerseits einem gewissen Vermögen und der Aussicht auf mehr. Eine unbedachte Äußerung, die ihr einst in ihrer ersten Saison entschlüpft und von anderen aufgeschnappt worden war, trug ihr den Ruf der Klugheit ein. Die sie am besten kannten, bezeichneten sie gnadenlos als »tiefsinnig«.
    Somit zum gesellschaftlichen Scheitern verdammt, schmachtete sie noch ein Jahr in den Ballsälen der Pont Street und schickte sich dann in ein Leben der Konzertbesuche und Einkaufsfahrten mit ihrer Mutter, bis sie ihren kleinen Freundeskreis damit überraschte, dass sie John [331] Verney heiratete. Anbahnung und Vollzug der Ehe waren lau, verwandtschaftlich, harmonisch. Angesichts des heraufziehenden Krieges kamen sie überein, kinderlos zu bleiben. Niemand wusste, wie Elizabeth zu irgendetwas stand. Ihre Urteile waren hauptsächlich negativ,

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