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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Dampfpresse. Diese hier ist etwa hundert Jahre alt.«
    »Schöne Plackerei«, brummelte Tamplin.
    »Und hier sind die ›beweglichen Lettern‹, die du so missbilligst, Ryder.«
    »Was sind es für Typen, Sir?«
    »Das müssen wir erst noch herausfinden. Ich habe alles so, wie es ist, von einem Schreibwarenhändler in einem Dorf gekauft.«
    Sie nahmen die Lettern wahllos in die Hand, schwärzten sie mit Tinte ein und drückten sie auf ein Blatt Schulpapier. Mr. Graves hatte ein Album mit Schriftarten.
    »Die sehen für mich alle gleich aus«, sagte Tamplin.
    Trotz seiner Vorbehalte war Charles fasziniert. »Ich hab’s, Sir. Ich glaube, das ist eine Baskerville.«
    »Nein. Sieh dir mal die Serifen an. Wie wär’s mit Caslon Old Style?«
    [320] Endlich war die Schrift identifiziert. Dann fand Charles eine Schachtel voller Vignetten – Getränke und Desserts für Speisekarten, Fuchsköpfe und rennende Hunde für Jagdankündigungen, kirchliche Motive und Kronen, Wappen, den Holzschnitt eines Preisbullen, Zierbänder, ein herrliches Sammelsurium aus einem Jahrhundert englischen Druckergewerbes.
    »Ist das schön, Sir! Damit kann man ja alles Mögliche machen.«
    »Das werden wir auch, Charles.«
    Tamplin blickte angewidert auf die beiden Amateure. »Ach, Sir, mir ist da eben etwas eingefallen, was ich noch zu tun habe. Sind Sie mir sehr böse, wenn ich nicht hierbleibe?«
    »Lauf nur los, Tamplin.« Und als er fort war, sagte Mr. Graves: »Schade, dass Tamplin mich nicht mag.«
    Warum kann er Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen?, dachte Charles. Warum muss er zu allem einen Kommentar abgeben?
    »Du magst mich auch nicht, Charles. Aber die Presse magst du.«
    »Ja«, sagte Charles. »Ich mag die Presse.«
    Die Lettern befanden sich in kleinen Säckchen. Sie schütteten sie in die jeweils dafür vorgesehenen Fächer der alten eichenen Letternkiste.
    [321] »Jetzt zu der Presse. Das hier sieht aus wie die Grundplatte.«
    Sie brauchten zwei Stunden, bis die Presse zusammengebaut war. Danach sah sie klein aus, viel zu klein für die Anzahl und Größe der Kisten, in denen sie gekommen war. Die gusseisernen Hauptträger endeten in bronzenen korinthischen Kapitellen, und ganz oben war sie mit einer Bronze-Urne mit der eingravierten Jahreszahl 1824 verziert. Die gemeinsame Arbeit, die Probleme und Entdeckungen beim Zusammenbau hatten die beiden einander nähergebracht. Jetzt betrachteten sie ihr vollendetes Werk mit gemeinsamem Stolz. Tamplin war vergessen.
    »Ein wunderschönes Stück, Sir. Könnte man darauf ein Buch drucken?«
    »Das würde natürlich lange dauern. Vielen Dank auch für deine Hilfe. Und nun« – Mr. Graves sah auf die Uhr –, »da du ja infolge eines schweren Justizirrtums nicht im Schülerrat bist, wirst du wohl auch nirgends zum Tee verabredet sein. Sieh mal zu, was du im Spind findest.«
    Das Wort »Schülerrat« störte die Vertrautheit. Ein paar Minuten später wiederholte Mr. Graves den Fehler, als sie den Tee aufgegossen hatten und Toastbrot auf dem Gasring rösteten. »In diesem Moment setzt sich also Desmond O’Malley [322] zu seinem ersten Schülerratstee hin. Hoffentlich genießt er ihn. Ich habe nicht das Gefühl, dass er dieses Trimester bisher so recht genießt.« Charles sagte nichts. »Weißt du, dass er vor zwei Tagen bei mir war und gesagt hat, er möchte zurücktreten? Er sagte, wenn ich ihn nicht zurücktreten lasse, dann tut er irgendetwas, was mich zwingt, ihn abzulösen. Desmond ist ein sonderbarer Junge. Es war eine sonderbare Bitte.«
    »Er würde sicher nicht wollen, dass ich das weiß.«
    »Natürlich nicht. Weißt du, warum ich es dir sage? Ja?«
    »Nein, Sir.«
    »Weil ich glaube, dass du dafür sorgen kannst, dass sein Leben erträglich ist oder auch nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr kleinen Bestien im Oberen Schlafsaal ihm alle die Hölle heiß macht.«
    »Aber doch nur, weil er’s herausfordert.«
    »Das glaube ich gern. Aber findest du es nicht auch traurig, dass im Leben so viele Menschen so vieles herausfordern und immer nur die Desmond O’Malleys bekommen, was sie herausfordern?«
    In diesem Moment trat auf der andern Seite des Abstellraums der Schülerratstee in seine zweite Phase; überfüttert mit Crumpets, jeder fünf oder [323] sechs Stück, machten sie sich jetzt an die Eclairs und Cremeschnitten. Es war noch ein ganzer Stapel warmer, durchweichter Crumpets übrig, und brauchgemäß wurde O’Malley als der Neue dazu abkommandiert, sie im Haus

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