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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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diese sentimentalen Nebensächlichkeiten, die nicht hierhergehören, aus ihrem Gedächtnis tilgen.«
    »Ihnen mag das nebensächlich erscheinen«, sagte eine Stimme von der Tribüne. »Mir war er ein guter Ehemann.«
    »Festnehmen, die Frau!«, sagte der Richter.
    Die Ordnung wurde wiederhergestellt, und die Elogen gingen weiter.
    Zuletzt zog der Richter ein Resümee. Der erste Grundsatz des Neuen Rechts, erinnerte er die Geschworenen, sei, dass niemand für die Folgen seiner Taten verantwortlich gemacht werden könne. Die Geschworenen müssten darüber hinwegsehen, dass viel wertvolles Hab und Gut und viele wertvolle Menschenleben in den Flammen aufgegangen waren und dass die Sache der Persönlichen Freizeitgestaltung einen schweren Rückschlag erlitten hatte. Sie hätten ausschließlich darüber zu befinden, ob der Gefangene tatsächlich an verschiedenen, mit Vorbedacht ausgewählten Stellen in der Einrichtung leicht entzündliche Materialien ausgelegt und diese angezündet habe. Wenn ja, und die Beweise sprächen eindeutig dafür, dann habe er gegen die Bestimmungen der Einrichtung verstoßen und müsse somit seine angemessene Strafe erhalten.
    [366] Derart instruiert, erkannten die Geschworenen auf schuldig, verbunden mit der Empfehlung, die Hinterbliebenen, die im Laufe der Verhandlung immer wieder mal wegen Missachtung des Gerichts abgeführt worden waren, zu begnadigen. Der Richter rügte die Geschworenen wegen Anmaßung und Impertinenz in der Sache der wegen Gerichtsmissachtung Festgenommenen und verurteilte Miles zum Aufenthalt auf unbestimmte Dauer nach Gutdünken des Staates in Mountjoy Castle (dem Stammsitz eines invaliden Viktoriakreuzträgers aus dem Zweiten Weltkrieg, der in ein Behindertenheim gekommen war, als man das Schloss in eine Strafanstalt umwandelte).
    Der Staat war launisch in dem, was ihn gut dünkte. Beinahe zwei Jahre erfreute sich Miles seiner besonderen Gunst. Alle erdenklichen wohltätigen Heilmaßnahmen ließ man ihm angedeihen, und zwar, wie nunmehr verlautete, mit Erfolg. Vor einigen Tagen, als er dösend unter einem Maulbeerbaum gelegen hatte, war dann völlig unerwartet die Schreckensnachricht gekommen; er hatte hohen Besuch vom ersten und zweiten stellvertretenden Betreuungsleiter erhalten, die ihm schroff und schonungslos eröffneten, dass er resozialisiert sei.
    [367] In dieser letzten Nacht nun wusste er, dass er am Morgen in einer kalten Welt erwachen würde. Dennoch schlief er gut und wurde zum letzten Mal von sanfter Hand in der vertrauten Umgebung geweckt, mit dem duftenden Chinatee auf dem Nachttisch, den dünnen Brotscheiben und der Butter, den aufgezogenen Vorhängen am Fenster über dem Gepäckunterstand, dem sonnigen Küchenhof und der Stalluhr, die hinter der Blutbuche hervorlugte.
    Er frühstückte spät und allein. Das übrige Haus erging sich bereits in den ersten Gemeinschaftsliedern des Tages. Alsbald wurde er ins Betreuungsbüro bestellt.
    Seit Miles an seinem ersten Tag in Mountjoy zusammen mit anderen Neuzugängen vom Betreuungsleiter ausführlich über die Ziele und Errungenschaften des Neuen Strafvollzugs belehrt worden war, hatte er ihn nur noch selten zu Gesicht bekommen. Der Betreuungsleiter war fast immer unterwegs, um auf kriminalpädagogischen Kongressen Vorträge zu halten.
    Das Betreuungsbüro war das frühere Zimmer der Haushälterin, inzwischen seiner Plüschmöbel und patriotischen Bilder entkleidet und stattdessen nach dem üblichen betrüblichen Amtsschick für den höheren Dienst eingerichtet.
    [368] Es war brechend voll.
    »Dies ist Miles Plastic«, sagte der Betreuungsleiter. »Setzen Sie sich, Miles. An der Anwesenheit unserer Besucher heute Morgen können Sie erkennen, was für ein wichtiger Anlass dies ist.«
    Miles nahm Platz und sah neben dem Betreuungsleiter zwei ältere Herren sitzen, die ihm aus dem Fernsehen als bedeutende Vertreter der Koalitionsregierung bekannt waren. Sie trugen offene Flanellhemden, Blazer, aus deren Brusttaschen zahlreiche Kugelschreiber und Bleistifte ragten, und ausgebeulte Hosen. Dies war die Garderobe sehr hoher Politiker.
    »Der Minister für Wohlfahrt und der Minister für Erholung und Kultur«, fuhr der Betreuungsleiter fort. »Unsere Leitsterne am Firmament. Hat die Presse das Informationsblatt bekommen?«
    »Ja, Sir.«
    »Und sind die Fotografen bereit?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann kann ich fortfahren.«
    Er fuhr fort, wie er es auf zahllosen Kongressen, in zahllosen Kurorten und Universitätsstädten getan

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