Way Out
eine ganze Armee.
»Ich danke euch«, sagte Lane.
Dann rutschte er von neuer Energie erfüllt nach vorn an die Sesselkante und wandte sich direkt an Reacher. »Praktisch Ihre erste Äußerung in diesem Raum war, meine Jungs könnten einen Krieg gegen jemanden anfangen, aber sie müssten ihn zuerst finden. Erinnern Sie sich daran?«
Reacher nickte.
»Dann finden Sie sie«, sagte Lane.
Reacher machte einen Umweg übers Elternschlafzimmer und nahm das Foto vom Schreibtisch. Den billigeren Abzug. Den mit Jade darauf. Er fasste ihn vorsichtig an, damit keine Flecken auf dem Glas zurückblieben. Starrte das Doppelporträt lange und eindringlich an. Für euch, dachte er. Für euch beide. Nicht für ihn. Dann stellte er das Foto wieder hin und verließ das Apartment.
Aufspüren und vernichten.
Er begann an demselben Münztelefon, das er schon einmal benutzt hatte. Holte die Karte aus seinem Schuh und wählte Lauren Paulings Handynummer. Sagte: »Diesmal ist’s echt, und sie kommen nicht wieder.«
Sie fragte: »Können Sie in einer halben Stunde vor den Vereinten Nationen sein?«
28
Wegen der Sicherheitskontrollen kam Reacher nicht sehr nahe an den Eingang des UN-Gebäudes heran, aber er entdeckte Lauren Pauling, die mitten auf dem Gehsteig der First Avenue auf ihn wartete. Sie hatte offenbar dasselbe Problem. Keinen Ausweis, keine Genehmigung, keine Zauberworte. Sie trug ein bedrucktes Seidentuch um die Schultern geschlungen und wirkte sehr attraktiv. Sie war zehn Jahre älter als er, aber ihm gefiel, was er sah. Er ging auf sie zu, und dann erkannte sie ihn und kam ihm entgegen.
»Ich habe jemanden angerufen, der mir einen Gefallen schuldig ist«, sagte sie. »Wir treffen uns mit einem Army-Offizier aus dem Pentagon, der Verbindungsoffizier bei einem der UN-Komitees ist.«
»Zu welchem Thema?«
»Söldner«, erklärte Pauling. »Wir sind angeblich gegen sie. Wir haben alle möglichen Verträge unterschrieben.«
»Das Pentagon liebt Söldner. Es beschäftigt dauernd welche.«
»Aber es will, dass sie dort kämpfen, wo sie hingeschickt werden. Es mag nicht, wenn sie ihre freie Zeit auf ungenehmigten Nebenkriegsschauplätzen verbringen.«
»Sind Hobart und Knight dabei verloren gegangen? Auf einem ungenehmigten Nebenkriegsschauplatz?«
»Irgendwo in Afrika«, antwortete Pauling.
»Weiß dieser Mann nähere Einzelheiten?«
»Einen Teil davon. Er hat einen relativ hohen Dienstgrad, ist aber noch neu. Er wird Ihnen seinen Namen nicht nennen, und Sie dürfen auch nicht danach fragen. Abgemacht?«
»Weiß er meinen Namen?«
»Den habe ich ihm nicht gesagt.«
»Okay, das klingt fair.«
Dann zirpte ihr Mobiltelefon. Sie meldete sich, hörte zu und schaute sich um.
»Er ist auf der Plaza«, sagte sie, »und kann uns sehen, will uns aber nicht einfach so hier treffen. Wir sollen in einen Coffeeshop in der Second Avenue gehen. Er kommt dorthin nach.«
Der Coffeeshop gehörte zu den überwiegend braun gestrichenen Lokalen, die zu gleichen Teilen vom Thekengeschäft, dem Service an den Tischen und Kaffee zum Mitnehmen in Pappbechern mit griechischen Motiven leben. Pauling führte Reacher zu einer Sitznische ganz hinten und nahm so Platz, dass sie die Tür im Auge behalten konnte. Reacher glitt auf die Bank neben ihr. Er saß nie anders als mit dem Rücken zur Wand. Eine alte Gewohnheit, selbst in einem Raum mit vielen Spiegeln wie in diesem Coffeeshop. Sie waren bronzefarben getönt und ließen den schmalen Raum breiter erscheinen. Und sie bewirkten, dass alle Gäste braun aussahen, als kämen sie gerade vom Strand. Pauling machte der Bedienung ein Zeichen, sagte wortlos Kaffee und hielt drei Fin ger hoch. Die Bedienung kam an ihren Tisch knallte drei schwere braune Tassen darauf und goss sie aus einer Thermoskanne voll.
Reacher probierte einen Schluck. Heiß und stark, aber Allerweltsgeschmack.
Den Typen aus dem Pentagon erkannte er schon, bevor er zur Tür herein war. Wohin er gehörte, stand außer Zweifel: zur Army, aber nicht unbedingt zur kämpfenden Truppe. Vielleicht war er nur ein Bürokrat. Langweilig. Nicht jung, nicht alt, maisgelber Bürstenhaarschnitt, billiger blauer Anzug aus Schurwolle, weißes Baumwollhemd mit Button-down-Kragen, gestreifte Krawatte, gute, auf Hochglanz polierte Schuhe. Eine andere Art Uniform. In dieser Aufmachung wäre ein Hauptmann oder Major zur zweiten Hochzeit seiner Schwägerin erschienen. Vielleicht hatte der Mann sich die Sachen genau dafür gekauft,
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